29.11
2023
06:50
Uhr

Das hörende Herz

Ein Beitrag von Johannes Rogge

Ich könnte mich jedes Mal darüber aufregen: Wenn in Talkshows Gäste und Talkmaster nicht miteinander sprechen, sondern vorgestanzte Phrasen aneinander vorbei aufsagen und auf den Inhalt der Vorrede überhaupt nicht eingehen. Wo soll da denn der Erkenntnisgewinn sein – frage ich mich dann. 

Aber wenn ich ehrlich bin, erkenne ich dieses Muster auch bei mir… 

Zu vielen Dingen habe ich eine klare Meinung, muss also gar nicht richtig zuhören, weil das kann ja nur Quatsch sein, wenn es von dem kommt - und lasse ein wirkliches Gespräch kaum zu. 

Die Katholische Kirche in Deutschland hat sich in den vergangenen Jahren auf einen Reformweg begeben. „Der Synodale Weg“ hieß das Projekt.

Es wurde zu den „heißen Eisen“ der katholischen Lehre gearbeitet: Frauen, Macht, Sexualität… Im Plenum wurde diskutiert und anschließend abgestimmt. Mit dabei waren alle deutschen Bischöfe und viele weitere Katholikinnen und Katholiken aller Strömungen und Lager.  Sie können sich vorstellen: Einig war sich diese bunte Truppe am Anfang in vielen Fragen nicht. Viele kamen mit einer eigenen Agenda: Nämlich, die anderen überzeugen zu wollen, Reformen oder Gegenreformen durchzuboxen. 

Ich habe einige Diskussionen im Livestream verfolgt. 

Dabei fand ich es faszinierend zu sehen, wie die Teilnehmerinnen und Teilnehmer einander zuhören mussten. Das fiel einigen sichtbar schwer. Aber sie haben sich darauf eingelassen. 

Vielleicht haben es die Delegierten des Synodalen Wegs auch deswegen geschafft, weil echtes „Zuhören“ im Christentum tief verankert ist: Im Gebet. Denn „beten“ ist eigentlich nicht so sehr das aktive Formulieren von Bitten und Dank an Gott, sondern vielmehr das ruhig Werden und Hinhören in die göttliche Stille. „Herr, schenke mir ein hörendes Herz“ – ist eine beliebte Gebetsformulierung. 

Und ich glaube, dieses „hörende Herz“ ist eine Haltung, die sich nicht nur beim Beten lohnt. Auch in Diskussionen am Küchentisch oder am Tresen. Der ehrliche Versuch das Gegenüber verstehen zu wollen und nicht bewusst misszuverstehen, um das argumentative Duell zu gewinnen. Denn darum geht es uns vielfach: Recht zu behalten. Gott aber möchte ins Weite führen: Dass Fronten aufgeweicht, Mauern durchbrochen und Sprachlosigkeit überwunden werden kann. Auf das echte Verständigung möglich wird.