Um ihre Volksnähe zu betonen, sprechen Politikerinnen und Politiker manchmal von den „einfachen Leuten“. Sie meinen damit Menschen, die fleißig und ehrbar sind, die nur ihre Arbeitskraft haben, um für ihr Auskommen zu sorgen, und die für ihr Leben einfache Ziele haben: Z.B. einen bescheidenen Wohlstand, gute Ausbildung für die Kinder und keine Armut im Alter. Und diese einfachen Leute, so lassen Politiker durchblicken, haben kein Interesse an hochfliegenden Ideen, an verschwurbelten Ideologien oder schwierigen politischen Programmen. Einfach, wie sie sind, wollen sie nur Sicherheit und einfaches Glück. Und das verspricht ihnen die Politik. Den Rest, das Komplizierte, erledigen dann schon die Politiker.
Mir ist diese Rede von den „einfachen Leuten“ zu einfach. Auch hart arbeitende Menschen, auch Menschen mit bescheidenem Wohlstand schauen hinaus über ihren Tellerrand oder den Zaun ihres Einfamilienhauses. Auch diese Menschen wollen eine Vorstellung haben, wie es mit unserer Gesellschaft im Ganzen weitergehen kann. Wenn sie dann wenig Interesse an Ideologien und Programmen haben, liegt es vielleicht eher an den Programmen und Ideologien als an den Menschen.
Mein Unmut über die Rede von den „einfachen“ Leuten rührt vielleicht auch daher, dass die Bibel von ihnen ein ganz anderes Bild zeichnet. Jesus war als Zimmermann selbst einer von den „einfachen Leuten“. Und er machte einfache Menschen zu seinen engsten Mitarbeitern, z.B. Fischer und Zollbeamte. Denen versprach er nicht einen bescheidenen Wohlstand, sondern ein Leben in ungeahnter Fülle, ein Leben im Reich Gottes, ein Leben in Freiheit und mit Zukunft. Und mehr noch: Er traute ihnen zu, diese revolutionäre Botschaft weiter zu verbreiten, sie gerade auch für die anderen „einfachen Leute“ fruchtbar zu machen. Jesus machte die einfachen Leute nicht klein, sondern groß.
Selbstverständlich können und sollen Politikerinnen und Politiker nicht das Reich Gottes versprechen. Aber sie können bei Jesus sehen, dass auch die sogenannten einfachen Leute einen Blick für das Ganze haben und dass Politik ihnen ruhig etwas zutrauen kann.