Die Abbildung zeigt eine Statue eines Bären, der auf einem hohen Sockel steht und etwas in seinen Vorderpfoten hält. Im Hintergrund sind Bäume und eine Straße sichtbar, die die Statue flankiert. Der Himmel ist teils bewölkt.
30.07
2025
06:50
Uhr

Die Stadt

Ein dicker Bär von hinten. Das bedeutet für mich Abschied. Abschied auf Zeit von der Stadt, in der ich lebe. Abschied von der Heimat. Ich wohne in Berlin, und ich mag diese Stadt. Manchmal hasse ich sie auch. Einmal im Jahr kehre ich Ihr für längere Zeit den Rücken, und es fällt mir leicht zu gehen: wenn der Sommerurlaub beginnt. Dann markiert dieses Tier die Grenze, wo die Stadt endet und das Land Brandenburg beginnt: der steinerne Bär auf der Stadtautobahn.

Wo ist meine Heimat? Wo bin ich Zuhause? In der Abwesenheit kann ich über Fragen wie diese nachdenken. In der Ferne ändert sich der Blick auf das, was mich sonst täglich umgibt. Wo ist der Mensch zuhause? Überall und nirgends, lautet die Antwort in der Bibel.  Dort finden sich Sätze wie Wir haben hier keine bleibende Statt, sondern die zukünftige suchen wir – oder Mein Herz ist unruhig, bis es Ruhe findet, Gott, in dir!

Heimat – das ist für Gläubige immer auch die Beziehung zu Gott. In ihm will ich zuhause sein, in seiner Nähe mich geborgen fühlen: Mein Herz ist unruhig, bis es Ruhe findet in Dir. In den Urlaub begleitet mich diesmal ein Buch von Konstantinos Kavafis, einer der berühmtesten Dichter des modernen Griechenlands. Geboren 1863 in Alexandria geboren, aufgewachsen in Liverpool, gestorben in Athen. Eins seiner Gedichte trägt den Titel „Die Stadt“ – darin heißt es: Du sagtest: „Ich werde in ein anderes Land fahren, an ein anderes Meer. Ich werde eine bessere Stadt finden … Du wirst keine neuen Länder entdecken, keine anderen Meere. Die Stadt wird dir folgen … Wo immer du hinfährst, hier wird deine Reise enden. Es gibt für dich kein Schiff und keine Straße – Gib die Hoffnung auf. Hast du dein Leben auf diesem kleinen Fleck vergeudet, so hast du es auf der ganzen Erde vertan.

Wegfahren ist schön, Zurückkommen auch. Heimat beginnt für mich mit den ersten Brandenburger Kiefern auf dem Rückweg. Und mit dem steinernen Bären, der mir zuwinkt, wenn ich nachhause komme.

(Konstantinos Kavafis, Das Gesamtwerk. Aus dem Griechischen übersetzt und herausgegeben von Robert Elsie. Frankfurt/Main 1999, S. 72)