Möglichkeiten haben etwas sehr Göttliches in sich: ein Feuer, einen Bauwillen, der die Wirklichkeit nicht scheut, sie aber als Aufgabe und Herausforderung behandelt.
Ein „Möglichkeitsmensch“ besitzt die Fähigkeit, alles, was nicht ist, so zu denken, als könnte es ebenso gut sein. Und das, was ist, nicht wichtiger zu nehmen als das, was nicht ist. „Möglichkeitsmenschen“ leben, so sagt der Schriftsteller Robert Musil, in einem feineren Gewebe, nämlich in einem Gewebe von Möglichkeitsdenken, Träumerei und Konjunktiven. Sie verkörpern die noch nicht erwachten Absichten. Möglicherweise auch die längst gedachte, aber unter uns noch nicht gelebte Wirklichkeit.1
Was mit den Möglichkeitsmenschen gemeint ist, sehe ich oft, wenn ich Polizisten bei ihrer Arbeit begleite und beobachte.
Die meisten von ihnen arbeiten für eine bessere Welt. Eine, die es noch nicht gibt. Das ist für viele von ihnen die größte Motivation. Polizisten haben die Aufgabe, Menschen daran zu erinnern, was für das Gemeinwohl und das gute und halbwegs gerechte Leben miteinander unverzichtbar ist. Sie wünschen sich mehr Gestaltungsraum dabei, denn vielen Menschen ist der Blick auf den Nächsten und die Folgen ihres Handelns nicht möglich oder schlicht gleichgültig. Die Möglichkeiten, die diese Menschen erdenken, beziehen sich meist nur auf sie selbst. Das ist anstrengend und fordert einer Gesellschaft und den Menschen in Uniform viel ab. Wie schön wäre da auch schon ein wenig mehr Vertrauen in das, was Polizisten bei der Arbeit tun.
Ich wünsche mir manchmal, es gäbe mehr „Möglichkeitsmenschen“. Also Menschen, die in den Dingen, die sie sehen auch die Möglichkeit mitschwingen lassen, dass es auch anders sein könnte.
Es ist eine besondere Weise zu leben mit dem Wirklichkeitssinn, der die Lage richtig einschätzt und mit dem Möglichkeitssinn, der Denken und Handeln Flügel schenkt.
Schon jetzt die Schneeglöckchen zu vermuten und den Gesang der Vögel im Frühling, schon jetzt auf das neue Urlaubsziel freuen, schon jetzt das Kind ersehnen, das bald geboren wird, schon jetzt Frieden schaffen um mich herum in meinen Möglichkeiten. Schon jetzt auf das Wochenende freuen. Noch ist es nur eine Möglichkeit, aber ich weiß, es kommt bestimmt!
Nach „Der Mann ohne Eigenschaften“ von Robert Musil.