16.01
2025
06:50
Uhr

Rumpelstilzchen

Ein Beitrag von Cordula Machoni

Sein Name ist Rumpelstilzchen.  
Er hat der Müllerstochter im gleichnamigen Märchen dreimal geholfen, aus Stroh Gold zu spinnen. Beim dritten Mal muss sie ihm zum Lohn ihr erstes Kind versprechen. Das hat sie in ihrer Not auch getan. Diesen entsetzlichen Pakt kann sie nur auflösen, wenn sie seinen Namen errät. Sie verzweifelt fast an dieser Aufgabe. Aber dann bekommt sie heraus, wie er heißt. Damit hat er nicht gerechnet. Er schreit und reißt sich selbst mitten entzwei. Der vermeintlich Mächtige entpuppt sich als entzaubertes Wesen mit dem etwas lächerlichen Namen Rumpelstilzchen.

Gleiches, wenig Märchenhaftes lässt sich im Internet beobachten. Menschen äußern sich anonym, geben ihren Namen nicht preis. Und schädigen und verletzen Menschen mit boshaften und verletzenden Worten. Sie gewinnen ihren Mut dadurch, dass sie anonym bleiben. Denn wer seinen Namen sagt, müsste klar auch dafür einstehen.
Auch Polizistinnen und Polizisten sind diesem Hass ständig ausgesetzt. Im Netz kursieren wenig gute Meinungen und Bilder ihres Dienstes. Wie kann das sein, wo doch die meisten von ihnen Tag für Tag verlässlich und unter Gefährdung ihres Lebens zum Schutz anderer ihre Arbeit leisten?
Bleibt sich manchmal zu erinnern: auch Polizisten sind Menschen mit Namen. Auch in ihnen stecken Wünsche, Hoffnungen, Traditionen, Liebe.

Namen verraten viel: An der Art, wie unsere Namen ausgesprochen werden erkennen wir, was unser Gegenüber von uns will oder was er uns gegenüber gerade fühlt. Der Name, mit dem Gott sich in der Bibel vorstellt, ist verwirrend: „Ich werde sein, der ich sein werde.“, sagt er. Sein Name klingt eher wie ein Satz, dessen Worte durcheinandergepurzelt sind. „Ich – werde – sein, der – ich – sein – werde. 
Der Name ist so groß, dass in ihm alle Namen Platz haben. 
Gott lässt sich nicht festlegen. Sein Name gibt allen Menschen ein Gesicht.

So wünsche ich uns, dass wir uns in den Begegnungen am heutigen Tag daran erinnern lassen, dass jede und jeder von uns bei einem Namen gerufen wurde. Der Name macht aus einer bloßen Statistik Erzählungen von Menschen. Schicksale, die auch meine sein könnten. Geschichten, die auch mir widerfahren könnten, gäbe es niemanden, der meine Würde und mein Recht auf Leben schützt. Ich glaube, ich werde heute jede Anrede ganz bewusst aussprechen.