21.09
2024
06:50
Uhr

Wir haben eine Aufgabe und eine Wahl!

Ich besitze immer noch die Wahlbenachrichtigung für die letzten Wahlen in der DDR vor dem Fall der Berliner Mauer. Sie ist wie eine Trophäe für mich. Denn ich hatte sie bewusst nicht genutzt, weil ich aus Protest grundsätzlich in der DDR nie zu einer Wahl ging. Nach der Wende 1989 änderte sich das. Ich wollte endlich mitbestimmen und hoffte, dass meine Stimme in einer Demokratie zählt. 

An diesem Sonntag sind nun die Brandenburger erneut zu einer Wahl aufgerufen. Mit welchen Gefühlen und Hoffnungen werden sie wohl morgen zum Wahllokal gehen? Vieles hat sich in unserem Land, in Europa und der Welt seit 1989 verändert. Nicht wenige sind heutzutage enttäuscht und meinen, wir können mit unserer Stimme sowieso nichts ändern, vor allem in Anbetracht der komplizierten und großen Probleme. Menschen sind ernüchtert und unzufrieden oder haben einfach resigniert. Ich kann das bedauern oder beklagen, wie so vieles, was gerade um uns herum geschieht. Vielleicht aber liegt genau darin unsere gegenwärtige Chance. Denn das Gegenteil ist wahr: Wir können mitbestimmen und jede Stimme zählt! Seit Wochen hängen in Brandenburg viele Wahlplakate, die aufrufen, wieder an die Wahlurnen zu treten. Klar, sie wollen zuallererst für die jeweilige Partei werben. Aber sie erinnern auch, dass wir tatsächlich Mitverantwortung tragen für die Zukunft eines Bundeslandes und für die Region, in der wir zu Hause sind.

Von Jesus ist uns im Johannes-Evangelium ein ganz besonderes Gebet überliefert, wo er für seine Gefährten spricht: „Vater, ich bitte nicht, dass du sie aus der Welt nimmst, sondern dass du sie vor dem Bösen bewahrst.“ (Joh 17,15). Für mich zeigt sich in dieser Bitte einerseits eine klare Ansage und gleichzeitig eine große Hoffnung. Wir haben eine Aufgabe in der Welt, in der wir leben! Jesus setzt auf jeden Einzelnen von uns, seine Jüngerinnen und Jünger. Als Christen haben wir eine hohe Mitverantwortung für die Zukunft. Angesichts der extremen Positionen in allen Richtungen der Politik, in Kirche und Gesellschaft ist das aktueller denn je. Als Berliner Pfarrer begleite ich morgen die Brandenburgerinnen und Brandenburger gerne mit meinen guten Wünschen und Gebeten.