Sollten Sie im Rückblick auf diese Woche auch das Gefühl haben, dass Ihnen nichts so richtig gut gelungen ist und dass sich so ein krümeliges Gefühl einstellt auf die Frage: Was bleibt? - dann hab ich hier den passenden Text für Sie – er stammt von
Susanne Niemeyer:
Brosamen müssen nicht aus Brot sein. Das ist ein Irrtum. Ich mag Brot nicht gern. Auch nicht in der Not, obwohl ich es da essen würd. Brosamen sind Zerriebens, Zerbröseltes, Krümel. Alles, was unter den Tisch fällt. Eben der Rest vom Fest. Bücher, die jemand auf die Straße stellt. Der Geruch einer Kerze, die eben noch brannte. Ein übrig gebliebenes Stück Käsesahne vom Kaffeekränzchen (zu dem ich nicht eingeladen war). Ein Lächeln, das auf dem Gesicht eines Fremden geblieben ist und nicht mir galt. Löwenzahn, den niemand gesät hat. Die letzten Takte eines Liedes im Radio, das ich sofort erkenne. Auch Brosamen machen satt. Jedenfalls, wenn man sich nicht zu schade ist, sie aufzusammeln.
Quelle: Susanne Niemeyer: Lichtblick. Texte für mittelgute Tage, Stuttgart 2021, S. 9. 5