17.10
2024
21:58
Uhr

Drei Wünsche

Ein Beitrag von Juliane Rumpel

Ich wünsche mir am frühen Abend oft, dass ich anders wäre als ich bin. Oder, dass mein Tag anders verlaufen wäre. Dass ich andere Entscheidungen getroffen hätte oder auch nur andere Menschen.
Am späteren Abend stelle ich dann fest, wie müßig das ist und dass doch eben nicht zu ändern ist, was war und wie ich bin. Ähnliches hält Erich Fried in einem Gedicht fest, dass er „Drei Wünsche“ nennt:


Ich wollte manchmal
ich wäre so erfahren
wie ich alt bin
oder auch nur so klug
wie ich erfahren bin
oder wenigstens
so glücklich
wie ich klug bin
aber ich glaube
ich bin
zu dumm dazu

Nicht zu dumm bin ich allerdings, um noch später am Abend Gott zu danken dafür, was war und ihn darum zu bitten, mir doch morgen die Weisheit zu schenken, anzunehmen, was ist und hinzunehmen, wer ich bin. Ich bitte ihn das oft, denn meistens geht das Spiel mit den drei Wünschen am nächsten Tag von Neuem los.
Amen – und schlafen Sie gut!


Quelle: Erich Fried: Vorübungen für Wunder. Gedichte vom Zorn und von der Liebe, Berlin 1999, S. 56.