09.06
2025
21:58
Uhr

Das Dritte

Ein Beitrag von Juliane Rumpel

Ein bisschen ist ja abends immer die Frage: Was brauche ich, damit ich sagen kann, es war ein guter Tag? Was brauchen Sie, um das am Ende eines Tages sagen zu können, und was brauchst du? 
Wohl dem, der ganz genau zu wissen glaubt, was er so braucht im Leben und zum Leben, ja, was brauchen wir?

Eva Strittmatter gab darauf einmal eine Antwort, die ich sehr mag. Das Dritte heißt ein Gedicht von ihr und das geht so:

Wenn die Verhältnisse bleiben
Wie sie sind, bin ich frei.
Frei, zu leben, zu schreiben.
Ich brauche nur drei
Dinge: Gewissen,
dass ich andern nichts nehme – 
ich brauch keine seidenen Kissen
und kann auch ohne bequeme Stühle auskommen.
Das zweite: Ich darf ohne frommen 
Augenaufschlag sagen,
was ich sehe in unseren Tagen.
Das dritte wäre Liebe,
damit ich leben bliebe.

Drei Dinge also braucht Frau Strittmatter und ich, ich weiß es noch nicht ganz genau. 
Ich bau mal auf den Traum, den ich gleich träum, vielleicht verrät der mir genau, was ich zum Leben brauch. Gute Nacht.

Quelle: „Das dritte“ von Eva Strittmatter. Gefunden in: Die eine Rose überwältigt alles. Gedichte, Berlin 1997, S. 54.