Wenn es die Musik nicht gäbe, würde ich umdrehen. Würde ich mich der Zukunft verweigern. Zu viele Unwetterkatastrophen, Mieterhöhungen, schrumpelige haut. Die Zukunft schminkt sich manchmal rosarot, aber sie kann trotzdem nicht überdecken, dass sie den Tod in der Tasche hat. Den vergisst sie nie, egal, wie hell sie strahlt. Der Tod ist nicht rosig. Das kann mir keiner erzählen. Aber dann höre ich diese Musik. Ein Lied, zu dem mir der Tite nicht einfällt, ich summe mit und will mehr. Es ist eine Melodie, die an Sommerabende am See erinnert, an Mohnfelder und den Duft von Lindenblüten im Juni, an Wassertropfen auf Wimpern, an einen ersten Kuss auf regennassem Kopfsteinpflaster. All das leuchtet auf in ein paar Tönen. Ich kann nichts anders, als ihnen zu folgen.
Summend werd ich heut einschlafen, mit der Zukunftsmusik im Ohr, uns allen eine gesegnete Nacht.
Quelle: „Zukunftsmusik“ Susanne Niemeyer: Lichtblick. Texte für mittelgute Tage, Stuttgart 2021, S. 117.