01.01
2025
06:50
Uhr

Abhängen mit der Jahreslosung

Es ist ein bisschen wie bei der Geburt des Kindes: Man schleicht auf Socken durch den Raum – flüstert, staunt und lauscht und schaut: ein neuer Mensch, ein neues Jahr – und beides voller Möglichkeiten. Die Böllerschwaden sind abgezogen, ich kann wieder atmen. Nur ab und zu knallt noch ein Blindgänger. Die Menschen grüßen einander, sind freundlich und friedlich. Man hat eben frei und ist sowieso zu müde für irgendwelche Streitereien. Man hängt ab. Man geht spazieren Hand in Hand und spürt dabei den Wind des Aufbruchs um die Nase wehen.


Der 1. Januar hat Charme, denn ich muss eben nicht aufbrechen jetzt. Es ist der Tag, an dem ich ganz bewusst nichts weiter vorhabe, als mich zu erholen von der ganzen Reihe festlicher Tage. Und das tue ich: erst zuhause unter dem Weihnachtsbaum und später draußen im Park. Keine Wanderung, kein Ausflug, bloß kein Stress! Einfach spazieren, ganz gemächlich, Gedanken kommen und meine Seele langsam ankommen lassen im Neuen Jahr. Prüfet alles, aber das Gute behaltet! lautet das christliche Motto für dieses Jahr. Auch damit lasse ich es langsam angehen. Ich prüfe erstmal gar nix. Ich erlaube mir, gleich auf den zweiten Teil zu gehen: Das Gute behaltet! Der Jahreswechsel ist ja ein perfekter Zeitpunkt, um einen Schlussstrich zu ziehen unter alles, was blöd und traurig, unschön und belastend oder misslungen war. Ich lasse alles hinter mir wie die Kiste mit Altpapier, die ich wöchentlich in die Tonne kippe. Und fühle mich leichter. Ich hänge in Gedanken einfach nur dem Schönen nach und entdecke doch erstaunlich viel davon. Allmählich beginnen sich Wünsche und Vorsätze dazwischen zu mischen und ich ahne schon: Das Tempo wird schnell wieder anziehen und die Schonfrist vorbei sein. Es wird wieder laut und gestritten werden und Hoffnungen sich zerschlagen und schlechte Gewohnheiten wieder einreißen. Und trotzdem: Behalte das Gute! Als Mantra behalte ich es im Ohr: die Kraft und die Zuversicht, die Fröhlichkeit und Leichtigkeit und eine Portion Mut und die Fähigkeit, das Leben zu genießen, das alles behalte ich in diesem Jahr. Gott hat mich auch behalten und gut rüberrutschen lassen. Er scheint mich gut zu finden – trotz aller Schlusigkeit - und liebenswert. Es ist doch wunderbar, wenn sich das Jahr so vor einem ausbreitet am ersten Tag: Lebenswert, ganz unbedingt – egal was kommt.