Ich sitze zwischen den Stühlen. Zwischen Weihnachtsbaum und Silvesterahnung. Die einen hören noch Weihnachslieder und draußen knallen schon die ersten Böller. Ich freue mich auf das neue Jahr und hänge doch im Alten. Auch wenn ich wirklich nicht traurig bin, dass 2024 geht, denn es war kein gutes Jahr für mich – und im Großen und Ganzen sowieso nicht. Ich zähl die Kriege und Krisen und Katastrophen jetzt extra nicht auf, wir haben es tausendmal gehört … Ich bin dazwischen zwischen den Jahren und bin melancholisch und hoffnungsvoll und dankbar und ängstlich und fröhlich zugleich und mag diese Zeit, weil sie nicht festgelegt und endgültig ist, sondern irgendwie leicht und schwebend und offen in vielerlei Richtungen. Und das nur ein paar kostbare Tage und wenige Stunden lang.
Ich habe dabei ein besonderes Bild vor Augen, eine Geschichte aus der Thora und aus der Bibel: Mose auf dem Berg. 40 Jahre hat er sein Volk Israel durch die Wüste geführt – aus der Knechtschaft in Ägypten in die Freiheit, vor allem aber führte die Wanderung durch ganz viele Krisen und Katastrophen. Nie hätte er sich das so vorgestellt. Oft war er am Rande der Verzweiflung und wütend, o ja – so wütend, dass er am liebsten rumgebrüllt und hingeschmissen hätte. Hat er schließlich auch: die Tafeln mit den zehn Geboten seinen Leuten vor die Füße, weil sie nicht abwarten konnten und schwach geworden sind. Lieber eine Runde um`s Goldene Kalb getanzt als darauf zu vertrauen, dass am Ende alles gut werden wird wie er es versprochen hat– auch wenn`s länger gedauert hat. Und jetzt? Jetzt ist Mose alt. Da steht er nun – mitten dazwischen auf einem Berg. Er schaut zurück auf das, was war und nach vorn in die Zukunft: Er sieht das gelobte Land. Beinahe angekommen – und doch noch nicht da. Sein Leben endet an diesem Punkt, an diesem sonderbaren Ort dazwischen. Es erfüllt sich zwischen Himmel und Erde – zwischen Vergangenheit und Zukunft.
Ein bisschen traurig das Ganze und schön melancholisch wie ich in diesen Tagen eben drauf bin und wie diese Tage eben sind. Und jedes Jahr denke ich: Wie wunderbar, dass mein Leben weitergeht. Dass das alte Jahr nicht einfach geht, sondern ein neues kommt und mit ihm immer auch eine neue Verheißung: dass es gut werden wird, weil Gott es gut mir meint und Hoffnung ist und Ankommen. Irgendwann. Immer.