Was ist Ihr peinlichster Moment? Meiner ist der: Ich bin im Bus und fahre durch die Stadt. Der Bus hält – Menschen steigen aus und ein – auf einmal knallt`s. So ein richtiger Knall, so dass auch der letzte hinguckt, was passiert ist. Und dann ist es wie bei Loriot und dem Sketch mit der Kohlroulade, an den sich die Älteren unter uns noch erinnern werden: Ein Mann bestellt gewickelte Kohlroulade und hat Probleme beim Auspacken. Alle gucken zu, wie er sich abmüht und bekleckert und im Bindfaden verheddert, der das Stück Fleisch zusammenhält. Das ist ein Sketch. Alle schauen zu wie einer sich abmüht und lachen. Der von mir geschilderte Moment ist nicht lustig. Ich nenne ihn meinen Nicht-Inklusions-Moment: Alle schauen zu, wie ein Fahrgast im Rollstuhl im Jahr 2025 in Berlin versucht, in den Bus zu kommen: Er muss sich bemerkbar machen beim Fahrer, der Fahrer muss aussteigen und zur Mitteltür laufen und dann je nach Bedarf die Rampe aus- oder zuklappen. Jedes Mal mit einem lauten Knall, weil das Ding so schwer ist, manchmal auch weil der Fahrer genervt oder unter Zeitdruck ist und die Augen der anderen Fahrgäste im Rücken spürt. Die müssen warten und also gucken alle, wie ein Mensch mit körperlicher Beeinträchtigung ein- oder aussteigt. Angewiesen auf die Hilfe und das Entgegenkommen anderer, beobachtet von allen und begleitet von Krach und Aufsehen – das Gegenteil von selbstverständlicher Teilhabe – Inklusion. Ich schäme mich jedes Mal und bin peinlich berührt. Ich habe mir erklären lassen, dass es der beste Weg sei, die Bordsteinunterschiede in der Großstadt auszugleichen. Die BVG behauptet von sich selber, dass – Zitat - „mobilitätseingeschränkte Menschen an allen Stationen problemlos ein – und aussteigen können.“ Ich höre direkt den Knall. Das muss doch auch anders gehen: irgendwie selbstverständlicher, leichter, wertschätzender, geräuscharmer und für die Betroffenen vor allem müheloser, selbstbestimmter: Alle Berge und Hügel sollen erniedrigt werden, und was ungleich ist, soll eben, und was höckericht ist, soll schlicht werden hat der Prophet Jesaja schon vor tausenden von Jahren der Gesellschaft von damals zugerufen. Uraltes Prophetenwort. Wir schreiben das Jahr 2025. Ehrlich jetzt, da muss doch was möglich sein. Damit das Glotzen ein Ende hat.
Inklusion 2025
Ein Beitrag von
Barbara Manterfeld-Wormit