19.04
2025
06:50
Uhr

Die Kunst der Pause

Die Kunst der Pause – warum Stille mehr ist als nur Leere und wie sie Raum für neue Möglichkeiten schafft.

Ein Beitrag von Felicitas Richter

Vor einigen Monaten war ich zum ersten Mal in der Elbphilharmonie in Hamburg. Zeitgenössische Musik. Für meine Ohren ungewohnte, experimentelle Klänge. 

Und dann: Der Klang des Orchesters ebbt ab, und plötzlich herrscht Stille. Es ist keine gewöhnliche Stille – es ist die Art von Stille, die den Raum erfüllt, die Spannung aufbaut. Die Zeit für einen Moment anhält.

Ich spüre: Diese Pausen sind kein Leerlauf – sie sind Atemzüge der Musik. Die Spannung verdichtet sich und die Erwartung wächst. Die Pause bedeutet: Hier ist etwas in Bewegung, obwohl es gerade still ist. Hier darf etwas reifen, was noch keinen Klang hat. Sie ist nicht Leere, sondern Möglichkeit.

Früher fand ich solche Momente schwer auszuhalten. Das Vorher war vorbei, das Nachher noch nicht da. Eine Art Schwebezustand. Eine Entscheidung, die aussteht. Eine Antwort, die nicht kommt. Eine Beziehung, die in der Luft hängt. Damals sehnte ich mich nach Klarheit. Abschluss. Ordnung. Heute weiß ich: Pausen sind notwendig. Sie schaffen Raum – zum Nachspüren. Zum Atmen. Zum Warten.

Karsamstag ist so ein Tag. Kein Fest. Kein Ritual. Kein „Programm“. Er ist der stille Zwischenraum. Zwischen Karfreitag und Ostern. Zwischen dem Ende und einem möglichen Neuanfang. Er ist der einzige Tag im Kirchenjahr ohne eigene Feier, ohne Liturgie. Es ist der siebte Tag der Schöpfung, der Schabbat, an dem selbst Gott ruhte. Ein heiliger Stillstand.

Ich glaube: Wir brauchen solche Pausen mehr, als wir denken. Zeiten, in denen nichts entschieden werden muss. In denen wir nicht wissen, wie es weitergeht – und das aushalten.
Vielleicht gibt es auch in Ihrem Leben gerade so einen offenen Raum. Eine Frage, auf die Sie noch keine Antwort haben. Vielleicht müssen Sie heute nichts entscheiden. Kein Gespräch sofort führen. Nicht alles erklären. Kein Problem sofort lösen.

Nur: da sein. Aushalten. Spüren. Wie eine Pause in der Musik.

Denn wie in der Musik gilt auch im Leben: Manchmal ist das Wichtigste nicht das, was gesagt wird – sondern das, was in der Stille entstehen darf.