„Komm, ich zeig dir, wie man den Sarong richtig bindet“, sagt die alte Frau und winkt mich zu sich. Ihre Hände – runzelig, ruhig, entschlossen – legen mir das leuchtende Tuch um die Hüfte. Es riecht nach Jasmin, nach Räucherstäbchen und frischer Erde. Um uns herum wuseln Kinder, Frauen tragen Opferkörbe auf dem Kopf. Ich bin mitten auf einem Tempelplatz in einem Dorf auf Bali – eingeladen zu einem Fest, das ich nicht wirklich verstehe. Doch ich fühle: Hier betrete ich heiligen Boden.
„Und jetzt: Schuhe aus“, sagt der Priester neben mir. „Und denk daran: Nie mit den Fußsohlen auf den Schrein oder auf Menschen zeigen. Und steig nicht über andere hinweg.“
Ich schaue auf das bunte, dichte Gewimmel. Menschen sitzen am Boden, zwischen Blüten, Gaben, Räucherwerk. „Wie soll ich da durchkommen?“, flüstere ich.
„Mit Achtsamkeit“, sagt er nur. Und lächelt.
Diese Erinnerung kommt mir heute – am Gründonnerstag. Auch da geht es um Füße. Um einen, der sich bückt. Der ganz gegen die Erwartungen handelt. Jesus kniet nieder, vor seinen Freunden. Er berührt ihre staubigen Füße, wäscht sie. Nicht als Geste der Macht, sondern der wachen, liebevollen Aufmerksamkeit.
Petrus ist irritiert. „Niemals sollst du mir die Füße waschen,“ wehrt er die Zuwendung des Meisters ab. Doch Jesus antwortet: „Ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit auch ihr so handelt.“ Achtsamkeit beginnt im Kleinen – wenn wir uns Zeit nehmen, zuzuhören. Wenn wir im Alltag nicht achtlos an anderen vorbeigehen, sondern ihnen aufmerksam in die Augen schauen. Sie fragen: Wie geht es dir wirklich?
Jesus sieht den Menschen, der vor ihm sitzt – mit allem, was er getragen, gewagt, gewandert ist. Er dient nicht, um sich selbst zu entwürdigen, sondern um dem Anderen Würde zu geben.
Ich denke an den warmen Stein unter meinen nackten Füßen auf dem Tempelplatz. An meine tastenden Schritte zwischen den Menschen. Vielleicht ist das die Einladung dieses Tages: wachsam zu gehen. Nicht über andere hinweg. Sondern mit dem inneren Satz: Ich sehe dich. Ich achte auf dich. Ich bin hier – auch deinetwegen.