Leonardo da Vinci war ein Genie: Maler, Architekt, Erfinder, Anatom. Seine Schaffenskraft ist legendär – und doch blieb vieles unvollendet. Skizzen, auf denen nur ein Gesicht ausgearbeitet ist. Maschinen, die nie gebaut wurden. Gemälde, die er jahrelang mit sich herumtrug – immer wieder überarbeitete, nie für „fertig“ erklärte.
Heute, an seinem Geburtstag und dem Internationalen Tag der Kunst, tröstet mich das. Denn während ich mein Büro aussortiere, sitze ich vor meinem eigenen kleinen Chaos der unvollendeten Projekte: Bücher, die ich nie zu Ende gelesen habe. Ein Konzept, das halbfertig in der Schublade liegt. Eine Lampe, die seit Monaten darauf wartet, angebracht zu werden.
Manchmal fühle ich mich deshalb schlecht – unorganisiert, nicht diszipliniert genug. Warum fällt es mir so schwer, Dinge abzuschließen?
Dann erinnere ich mich an Leonardos „Anbetung der Könige“, ein unfertiges Meisterwerk, das ich einmal in Florenz gesehen habe. Nur eine Skizze – und doch so lebendig, als würde etwas in ihr weiteratmen. Vielleicht liegt genau darin ihre Magie.
Und ich beginne zu begreifen: Es gibt eine Schönheit im Unvollendeten. In dem, was noch im Werden ist. Nicht nur bei Kunstwerken – auch in uns selbst.
Leonardo soll gesagt haben: „Kunst ist niemals vollendet.“ Vielleicht gilt das auch für uns Menschen. Wir bleiben Werke in Arbeit – und Gott liebt uns nicht erst, wenn wir „fertig“ sind. Er liebt uns mittendrin. Im Prozess. Im Chaos. Sein Meisterwerk.
Heute ist ein guter Tag, das zu feiern: die Kunst, das Leben – und all das, was noch nicht abgeschlossen ist, weil es vielleicht genau darin lebendig bleibt.
Während ich weiter aufräume, sehe ich meine halbfertigen Projekte mit anderen Augen: Vielleicht geht es gar nicht darum, irgendwann mit allem fertig zu werden. Vielleicht geht es darum, das Ausprobieren, Forschen, Staunen lebendig zu halten. Als Teil eines Lebens, das – gottlob – noch in Arbeit ist.