16.04
2025
06:50
Uhr

Eine Stimme haben

Die Stimme als Spiegel der Seele – warum der Klang, mit dem wir uns ausdrücken, so viel mehr ist als nur Schall.

Ein Beitrag von Felicitas Richter

Es beginnt mit einem leisen „Plopp“. Der Kopfhörer sitzt. Die Stimme erklingt. Und sofort bin ich drin – mitten in einer anderen Welt. Ich höre Hörbücher – beim Kochen, beim Autofahren, beim Aufräumen oder Einschlafen – wobei ich dann meist die Hälfte verpasse.

Früher habe ich Hörbücher nach spannenden Inhalten ausgesucht, nach Romantik oder Humor. Heute wähle ich nach der Stimme, die mich durch den Tag begleitet. Nach meinen Lieblingssprecherinnen. Denen, die nicht einfach lesen – sondern die Geschichte in mir lebendig werden lassen.  Mich mitnehmen, berühren, fesseln. 

Heute ist Welt-Stimm-Tag. Ein Tag, der die menschliche Stimme in den Mittelpunkt rückt – als Ausdrucksmittel, als Werkzeug, als Teil unserer Identität. Denn die Stimme ist wie ein akustischer Fingerabdruck. Unverwechselbar wie die Falten in unserem Gesicht. 

Unsere Stimme verrät, wie es uns geht, oft bevor wir es selbst wissen. 

Wenn meine Freundin anruft, hört sie am ersten „Hallo": „Was ist los mit dir?" – und ich wundere mich: „Woher weißt du, dass etwas nicht stimmt?"

Wir jauchzen, wenn wir uns freuen. Wir krächzen, wenn wir krank sind. 

Wir flüstern, wenn wir Nähe suchen. Wir schreien, wenn wir nicht mehr weiterwissen. 

Die Stimme ist nicht nur Schall. Sie ist Seele. Stimme braucht Raum. Sie braucht Echo. Zuhörer. In der Bibel heißt es: „Am Anfang war das Wort – und das Wort war bei Gott." 

Ein gesprochenes Wort. Gott ist nicht taub. Und wir sind nicht stumm. Gott ruft uns – manchmal unüberhörbar durch einen anderen Menschen. Manchmal ganz leise in einer inneren Ahnung. Und wir dürfen antworten.

Vielleicht ist das die Einladung heute zum Welt-Stimm-Tag: Genauer hinzuhören. Bei der Kollegin, deren Stimme plötzlich brüchig wird. Beim Kind, das aufgeregt von seinem Tag erzählt. Bei mir selbst – wenn ich den Impuls spüre, etwas zu sagen, aber lieber schweige.

Heute wage ich, meiner Stimme wieder Raum zu geben. Oder jemandem meine Stimme zu leihen, der seine gerade verloren hat. Denn manchmal ist ein leises „Ich bin da" mehr wert als tausend wohlformulierte Worte.