Einmal in der Woche treff ich mich mit meinem Vater und wir gärtnern. Und dabei ist auch immer genügend Zeit, um zu reden, nachzudenken, gärtnerisch zu philosophieren.
„Weißt du“, sage ich, „Weißt du, wenn ich dereinst meinem Schöpfer gegenüberstehen werde, da werd ich ihn folgende drei Dinge fragen: Warum die Nacktschnecken, warum die Quitten, warum das Unkraut?“
„Hmh“, murmelt mein Gärtnervater und lässt das Bodenlockern kurz sein. Er stützt sich auf seinen Spaten und sagt: „Nacktschnecken? versteh ich, keine natürlichen Feinde, nicht essbar, wofür also? Quitten? Naja, ich mag die, aber du hast schon recht, kann man nicht pflücken und einfach reinbeißen, sind halt keine Äpfel. Aber warum er das Unkraut geschaffen hat, das brauchst ihn nicht fragen, das kann ich dir auch sagen!“
Is klar, denk ich, mein all-wissender Vater. Nicht umsonst sagen ja manche Menschen auch Vater zu Gott, der allerdings ist wirklich allwissend. Heute und hier zwischen den Hochbeeten also Väter unter sich: „Und?“, frag ich meinen irdischen Vater, „Und, klär mich auf, warum hat Gott das Unkraut geschaffen?“
„Hat er gar nicht! Gott hat nur Kraut geschaffen und Bäume und Sträucher. Gibt ja auch keine Un-Bäume oder Un-Pflanzen. Das ist eine rein menschliche Einstellungsfrage, das mit dem Un-Kraut.“
Aha, eine rein menschliche Einstellungsfrage. Während ich weiter versuche, die Hochbeete von jenen Un-Kräutern zu befreien, frag ich nochmal nach: „Mit Einstellungsfrage meinst du, dass jedes Un-Kraut erstmal ein Kraut ist und wir es nur zum Un-Kraut machen, weils uns stört?“
„Genau! Sieht man doch daran, dass man fast alles essen kann, also wenn man`s mag: Giersch und Vogelmiere, Brennnessel und Pimpinelle.“
Ist eigentlich voll der christliche Blick auf die Gartenkräuter, denk ich. So als Christin geb ich mir ja auch immer Mühe, jeden, der mir begegnet, erstmal nur als Mensch zu sehen und nicht gleich als unmögliche Kassiererin, unerträgliche Nachbarn oder ungewaschenen Wohnungslosen. Ich geb zu, dass gelingt mir nicht immer.
Heute am Ehrentag des Unkrauts fällt mir diese Unterhaltung mit meinem Vater wieder ein. Und ich nehm mir nicht nur vor, meine Einstellung zu den sogenannten Un-Kräutern in meinem Garten zu ändern, sondern auch, meinen Mitmenschen heute so zu begegnen als gäbe es die kleine Vorsilbe Un- in meinem Denken nicht.