25.03
2025
06:50
Uhr

Zitronenfalter

Der göttliche Tüpfler

Ein Beitrag von Juliane Rumpel

Also, Frau Pfarrer, ick glob dit nicht. Da isser wieder, der Balkonnachbar. Ab und an geb ich mich ja der Illusion hin, dass ich allein bin, wenn ich auf meinem Balkon Kaffee trinke. Aber meistens ertönt irgendwann seine tiefe Stimme und die Realität holt mich ein.

Ich versuche, mich nicht zu ärgern, weil ich Nachbarschaft grundsätzlich mag und weil der Herr Mayer von nebenan auch immer sehr hilfsbereit ist, wenn bei uns mal irgendetwas repariert werden muss.

Sie globen doch och nich, dass irgendwer nur sieben Tage jebraucht hat, um dit hier fertig zu stellen, oder?

Sie meinen unser Haus hier, frag ich unsicher zurück. Nee, ick meen die janze Welt. 

Ahja, jetzt klingelts. Herr Meyer hats von der Schöpfung.

Haben Sie das gerade nachgelesen? frag ich und er: Nee, die Jeschichte kennt doch wohl jeder. Am ersten Tach und denn so weiter, mit die Sterne und den Mond und denn komm´ am Ende wir, also die Menschen. Dit heeßt, nee, janz am Ende hatter doch ausjeruht, oder?

So ist es, bestätige ich, am siebten Tag hat Gott geruht.

Is halt och nur Mensch, wa? Herr Mayer muss kichern, ich mag meinen Nachbarn. 

Und dann erzählt er mir, dass er das mit den sieben Tagen nun wirklich für Blödsinn hält und ich stimme zu, also nicht, dass das Blödsinn sei, aber dass der Sinn hinter der Erzählung wohl ein anderer sein müsse. Und da gibt er mir absolut recht, denn, so ergänzt er, denn das hinter einigen Naturphänomenen ein göttlicher Tüpfler stecken müsse, glaubt er, seitdem er den Zitronenfalter kennt.

Jetzt hat er mich neugierig gemacht. Ich reich ihm eine Tasse Kaffee von Balkon zu Balkon und dann berichtet er, dass der Zitronenfalter - der übrigens keine Zitronen faltet, Herr Mayer verschluckt sich fast vor Lachen - dann fährt er fort: Also der Zitronenfalter sei doch immer der erste, der rumflattert im Frühling und das hätte damit zu tun, dass der sowas wie ein Frostschutzmittel in sich trage. Und deshalb verbuddelt oder versteckt der sich nicht im Winter. Der erfriere nicht mal, wenn er eingeschneit wird. Das sei doch schon erstaunlich bei einem so zarten Wesen, oder?! Und die ersten Sonnenstrahlen kitzeln den kleinen Burschen dann aus seiner Winterruhe. 

„Wenn da keen göttlicher Tüpfler hintersteckt, denn weeß ick och nicht…!“ Mit diesen Worten reicht er mir die leere Kaffeetasse und verschwindet in seiner Wohnung ohne meine Antwort abzuwarten.

Naja, dann eben beim nächsten Mal.