München, zerstörte Ohel-Jakob-Synagoge
09.11
2024
06:50
Uhr

Ein Gedenktag

Ein Beitrag von Viktoria Hellwig

An wenigen Tagen in der deutschen Geschichte ist so viel denkwürdiges, geschichtsträchtiges passiert wie heute am 9. November. Einen davon habe ich miterlebt, den Tag der Maueröffnung vor 35 Jahren, ein Tag der viel bewegt hat in diesem Land und besonders hier, im Osten Deutschlands. Ich selber habe nicht viel vom geteilten Deutschland gesehen, aber ich war sehr geprägt vom living memory - der lebendigen Erinnerungen meiner Eltern, meiner Lehrer, meiner Stadt, die so sehr durch Mauer und Trennung gekennzeichnet war. 

Aber nicht nur 89, auch weit vor mir, uns und Ihnen begannen andere 9. November sich in die Geschichtsbücher zu schreiben. 1918 an dem Höhepunkt der Novemberrevolution in Berlin rief auf dem Balkon des Reichstagsgebäudes Philipp Scheidemann die erste demokratische Republik in Deutschland aus, es war die Geburtsstunde der Weimarer Republik. 

20 Jahre später, am 9. November 1938 brannte es überall im Land. SS und SA-Männer zündeten Synagogen und jüdische Geschäfte an. Der Terror und Wahnsinn der Nationalsozialisten waren in der Mitte der Gesellschaft angekommen. 

Den Opfern dieser Nacht und deren Folgen wird heute bei aller Freude über 35 Jahre Mauerfall auch gedacht. Am 9. November 1938 zeigten sich Antisemitismus und Judenhass hemmungslos offen – mitten auf unseren Straßen. 

Und wer meint, ihn oder sie beträfe es nicht, man hätte diese Zeit ja nie erlebt, den möchte ich einladen, mit offenen Augen durch Berlin zu gehen. Nicht nur der Krieg hat das Gesicht dieser Stadt verändert, nein, es begann schon viel früher: mit offenem Hass und Zerstörungswut, die Existenzen, Leben und Orte vernichteten.

Neben den goldenen Stolpersteinen kann man da noch andere Hinweise entdecken. In Kreuzberg stand die Synagoge Lindenstraße. Auch sie fiel der Schändung 1938 zum Opfer und wurde im Krieg dann endgültig zerstört. Ein Schild in einer Hoffeinfahrt erinnert daran. Vielleicht gibt es kleine Hinweise auch in Ihrer Straße, heute wär ein guter Tag es herauszufinden.

Eine andere Möglichkeit, lebendig an die Zeit damals zu erinnern sind die Lebensmelodien, ein Projekt vom jüdischen Musiker Nur Ben Shalom, der die Melodien jüdischer Menschen, die im Holocaust ermordet wurden, mit seiner Klarinette und anderen Musizierenden zu neuem Leben erweckt und ihre Geschichte damit weiterträgt. Heute Abend zu hören in der Apostel Paulus Kirche in Berlin-Schöneberg.