Ich war auf einer Konferenz in einer fremden Stadt und hatte vor der Abreise noch Zeit, bis ich zum Bahnhof musste. Auf dem Weg kam ich an einer alten Kirche vorbei. Schon von weitem war sie zu sehen. Ob man da wohl rein kann? Immer öfter sind Kirchen ja auch tagsüber leider verschlossen.
Aber ich hatte Glück. Die Kirche war offen. Und ich trat ein. Eben noch draußen auf der lauten Straße. Viel zu viele Geräusche. Viel zu viel Unruhe. Und plötzlich war ich in diesem ganz anderen Raum. Stille umgab mich. Und die wenigen Geräusche bekamen durch den Nachhall des Raumes einen besonderen Klang. Und der Duft! - So eine Mischung aus verbranntem Kerzenwachs, zu hoher Luftfeuchtigkeit und Menschen, die hier seit Jahrhunderten aus- und eingegangen sind.
Ich setze mich auf eine Bank. Sie knarrte ein bisschen. Ich nehme meine Umgebung ganz bewusst wahr. Das hohe Gewölbe, riesige Bleiglasfenster, in Stein gehauene biblische Figuren, ein grandioser Altar und über der Empore ein riesiger Orgelprospekt. Unendlich viele Details. Einfach wunderschön.
Ich strecke mich auf meinem Platz aus und lasse all das, was mich umgibt, auf mich wirken. Mein Puls wird immer ruhiger. Die Zeit entspannt sich. Ich denke noch einmal an die Konferenz, von der ich gerade komme. Da gab es einige kontroverse Themen. Und meine Gedanken drehen schon wieder auf Hochtouren…
Da setzt plötzlich die Orgel ein. Ich fasse es nicht. Und plötzlich wird mir bewusst: Das hier ist wie ein Sechser im Lotto. In diesem Haus, in dieser Atmosphäre, in diesem Duft, in dieser Architektur und in dieser Musik bin ich zuhause - in einem ganz tiefen und umfassenden Sinne zuhause. Das ist meine Kultur. Und für diese Kultur bin ich unendlich dankbar. –
Es ist Wochenende. Vielleicht gehen Sie in eine Kirche in Ihrer Umgebung. Sie ist eine Erinnerung daran, dass es noch eine andere Welt gibt als die, die uns tagtäglich umgibt. Ich wünsche Ihnen ein gesegnetes Wochenende.