Rudolf wäre gestorben. Weit vor der Zeit. Mit seiner kranken Niere hätte er keine Chance auf Überleben. Doch als schon fast alle Hoffnung aufgebraucht war, kam die erlösende Nachricht. Ein Organspender war gefunden. Ein Unfallopfer hatte zu Lebzeiten erklärt, seine Organe als Spender zur Verfügung zu stellen.
In jüngster Zeit gibt es wieder großflächige Werbekampagnen im Stadtbild. „Organspende – Ja oder Nein?“ wollen die abgebildeten Paare da von mir wissen, zum Beispiel die prominenten Tatortkommissare Klaus Behrendt und Dietmar Bär. Ein zögerndes „Vielleicht“ ist nicht vorgesehen. Es geht um eine Entscheidung. Mir gefällt das Motiv mit der Großmutter und der Enkelin besonders gut, weil es eine Brücke zwischen den Generationen baut.
In der Politik wird immer wieder mal die Frage aufgeworfen, ob man die Regelungen ändern sollte: also von der Zustimmungslösung, die derzeit gilt („Ich muss einer Organentnahme ausdrücklich zustimmen“), hin zu einer Widerspruchslösung. Dabei würde gelten: Jeder, der nicht ausdrücklich widersprochen hat, kommt nach dem Tod als Spender infrage. Es wäre ein Systemwechsel. Kritiker sprechen von „Zwangsabgabe“. Dabei ist nicht sicher, ob diese Lösung überhaupt zu mehr Spenden führen würde. Aber es gibt auch ernstzunehmende Bedenken dagegen. Die haben damit zu tun, dass die Organspende im Sinne des Wortes eine „Spende“ sein soll. Für manche ist das auch eine religiöse Frage: Die Entscheidung über meine Lebensgestaltung und meinen Körper muss ich frei treffen können, in Verantwortung gegenüber Gott und meinen Mitmenschen.
Ich denke, eine Organspende ist ein Geschenk. Ein Geschenk, das ich im Falle des Falles für einen anderen, mir völlig fremden Menschen bereithalte. Es wäre ein Akt der Nächstenliebe und der Hilfsbereitschaft über den Tod hinaus.
Die Plakate haben jedenfalls ihren Zweck schon erfüllt. Ich befasse mich dadurch gezielt mit der Frage. Was würde ich tun?
Ob man als Organspender schneller in den Himmel kommt, hat mich ein Jugendlicher mal gefragt. Meine Antwort war eher ausweichend: mit dem Himmel ist das so eine Sache, sagte ich. Aber ein Heiliger wird man dadurch auf jeden Fall, sogar schon zu Lebzeiten.