08.02
2024
06:50
Uhr

Raum zum Wachsen

Im Jahr 1991 stand er auf Platz 1 in der Liste der beliebtesten Namen: Kevin. Vermutlich deshalb, weil viele den Film „Kevin allein zu Haus“ gesehen haben. Der Name geht zurück auf einen irischen Mönch, der im 7. Jahrhundert gelebt hat. 

Über Kevin wird eine wunderbare Legende erzählt. Als er einmal mit ausgebreiteten Armen betete, setzte sich eine Amsel auf seine Hand und legte ihre Eier hinein, als wäre die Hand ein Nest. Dies rührte den Heiligen so sehr, dass er die Hand nicht zurückziehen mochte. Und so harrte aus, bis der Vogel fertig gebrütet hatte.

Als ich die Legende gehört hatte, habe ich sofort erst einmal nachgesehen: eine Amsel brütet ca. 14 Tage. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass Kevin 14 Tage lang seinen Arm ausgestreckt ließ. Doch was die Legende sagen will, war mir schnell klar. 

Wer Vögel oder andere Tiere beobachten und kennen lernen will, braucht Ruhe und vor allem Geduld. Ist das bei uns Menschen denn anders?

Die Amsel hat ihre Eier in Kevins Hand gelegt, als ob seine Hand ein Nest wäre. Und weil Kevin diese Ruhe und Geduld gehabt hat, konnte daraus Leben entstehen und wachsen.

Es gibt so viele Dinge im Leben, die sich entwickeln und wachsen müssen. Dazu braucht es so einen geschützten Raum wie die Hand des Heiligen Kevin. 

Als ich 10 Jahre alt wurde, bekam ich zum Geburtstag ein Akkordeon. Meine Lehrerin in der Schule hat gemerkt, dass ich musikalisch bin. Doch allein damit konnte ich noch kein Instrument spielen. Doch ich bekam einen guten und geduldigen Lehrer, so dass mein Talent sich dann entwickeln konnte, so dass ich viel Freude an der Musik hatte. Auch Beziehungen und Freundschaften brauchen so einen Raum, in dem sie wachsen können.

Manchmal denke ich, wenn ich eine Amsel sehe, an Kevin und seine ausgestreckte Hand. Und ich denke an viele, die mir in meinem Leben den Raum gegeben haben zum Entwickeln von Fähigkeiten und Talenten, zum Erwachsen-werden, und nicht zuletzt für wunderbare Freundschaften.