Das Rotkehlchen zählt zu den beliebtesten Singvögeln unserer Gegend. Sein äußeres Aussehen, seine leuchtend rote Brust, macht ihn für viele so sympathisch und liebenswert. Wussten Sie schon, woher der rote Fleck auf der Brust kommt?
Als Gott die Welt erschuf, machte er auch einen kleinen grauen Vogel und nannte ihn Rotkehlchen. Da fragte das Vöglein den Herrn: „Warum soll ich Rotkehlchen heißen? Ich habe doch keine einzige rote Feder an mir?“ – „Warte nur ab!“ sprach da der liebe Gott.
Lange Zeit später wurde ein Rotkehlchen Zeuge einer Kreuzigung. Es hatte Mitleid mit dem Gekreuzigten, doch konnte es nicht viel tun. Es wollte dem Gemarterten aber wenigstens etwas Linderung verschaffen. Es flog also heran und zog Jesus einen Dorn aus der Stirn. Die Wunde fing an zu bluten. Das Blut spritzte auf die Brust des Vögleins und färbte sie rot.
Eine anrührende Geschichte: Da zieht ein kleiner Vogel einen Dorn aus der Stirn Jesu und schafft ihm so Erleichterung in seinem Schmerz.
Doch die Erleichterung hat seinen Preis. Aus der Wunde spritzt Blut und beschmutzt die Brust des kleinen Vogels. Die Berührung mit einem Leidenden kann es mit sich bringen, dass ich mich dabei selbst schmutzig mache. Nicht nur Blut - Mir fallen noch viele andere unangenehme Dinge ein: Schmutz, Eiter, oder Kot; aber auch nicht materielle Dinge wie mein guter Ruf, meine Moralvorstellungen, Verpflichtungen, die ich übernehme, Risiken, die ich eingehe …
Mitleidsbezeugungen wie „Ach, du Armer …“ sind vielleicht gut gemeint, helfen mir im Leiden nicht weiter. Da brauche ich jemand, der hilft und sich auch nicht scheut, sich dabei schmutzig zu machen. Das wäre für mich ein glaubwürdiges Zeichen der Solidarität und wirklichen „Mit-leidens“. Übrigens: Das griechische Wort dafür ist „sym-pathia“. Es stimmt also, das Rotkehlchen ist wirklich ein sympathischer Vogel – und diesen gibt es übrigens auch ohne Flügel.