31.10
2025
06:50
Uhr

Weltstädtetag

Stadt der Zukunft

Ein Beitrag von Michael Lohausen

Heute ist nicht nur Reformationstag. Der 31. Oktober ist auch Weltstädtetag. Die Vereinten Nationen wollten auf das weltweite Städtewachstum aufmerksam machen, als sie 2013 einen Tag im Jahr auswählten, an dem der Lebensraum „Stadt" im Mittelpunkt steht.

Wir, die Weltbevölkerung, haben eine „magische Grenze" überschritten. Heute lebt – global gesehen – schon mehr als die Hälfte von uns in Städten. Alles spricht dafür, dass das Städtewachstum auf absehbare Zeit noch weitergeht. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nehmen an, dass 2050 ungefähr 70% der Menschen auf der Erde in städtischen Regionen leben, oft in gewaltigen Ballungszentren.

Auch die Bibel kennt eine Geschichte über ein gigantisches Stadtentwicklungsprojekt. Die Menschen in Babel wollten einen himmelhohen Turm bauen. Aber sie scheiterten. Sie verloren ihre gemeinsame Sprache und gingen getrennte Wege. Für mich steckt darin eine zeitlose Mahnung: Wenn wir beim Bauen und Wachsen das Bewusstsein füreinander verlieren, wenn wir aufhören, dieselbe Sprache zu sprechen, dann scheitern auch die ambitioniertesten Projekte.

Und heute? Die gemeinsame Sprache nicht verlieren bedeutet für mich: im Gespräch bleiben über Kulturen und Schichten hinweg. Es bedeutet, dass die Penthousebewohner verstehen, was die Menschen in den Erdgeschosswohnungen an der Hauptstraße brauchen. Dass die Stadtplaner die Sprache der Kinder sprechen, die Spielplätze suchen. Dass die Politik die Sorgen der Alten hört, die ihre vertrauten Kieze nicht mehr wiedererkennen.

Die Herausforderungen sind gewaltig: Wie schaffen wir bezahlbaren Wohnraum für alle? Wie regeln wir den Verkehr in Megastädten? Wie sichern wir Trinkwasser und saubere Luft? Wie gelingt das Zusammenleben verschiedener Kulturen auf engstem Raum?

Ich glaube, diese Fragen lassen sich nur lösen, wenn wir die Lehre aus Babel beherzigen: Die Stadt der Zukunft gelingt nur, wenn wir eine gemeinsame Sprache bewahren. Wenn niemand vergessen wird. Wenn wir nicht nur unseren Kiez, unsere Bubble im Blick haben, sondern die Stadt als Ganzes. Wenn wir das Beste für alle erreichen wollen – nicht nur für einige.