24.06
2025
21:58
Uhr

Ein Witwer

Ein Beitrag von Paul Geiß

Er hat vor einigen Monaten seine Frau verloren. Die beiden waren mehr als 50 Jahre zusammen, ihre Liebe zueinander war trotz aller Unterschiedlichkeiten stabil und tragfähig. So erzählt er das. Jetzt ist er allein und trauert, trauert unendlich. 

Kurt Marti, der Pfarrer und Dichter aus der Schweiz, hat Ähnliches erlebt. „Was ist schlimmer: abends allein ins Bett zu kriechen oder morgens einsam zu erwachen?“ klagt er.

„Seit dem die täglich und nächtlich vertraute Zwiesprache aufgehört hat, schwinden mein Wortschatz und mein Ausdrucksvermögen.“ 

Er ist zornig: „Die Beschäftigung mit dem Körper, vor allem mit seinen Defiziten, nimmt unliebsam überhand.“

Er sorgt sich: „Hoffentlich weiß sie nicht, wie unglücklich ich ohne sie bin." 

So erlebt es ja mein Freund, der Witwer, auch. 

Vorsichtig tastend versucht er sich zu Recht zu finden. Schrittweise wendet er sich wieder etwas dem Leben zu, er hofft inständig, auf Gott vertrauen zu können, auch in seiner Einsamkeit. 

Es braucht Zeit, viel Zeit. Ich hoffe er schafft das. Ich bete für ihn. Gute Nacht mit Gottes Segen.

Zitate aus Kurt Marti, Heilige Vergänglichkeit, Spätsätze, 2. Aufl., Stuttgart 2011, S. 9, 10,16