Der Dichter Rainer Maria Rilke beginnt sein Gedicht: Herbsttag mit einem Gebet, wir haben es in der Schule auswendig gelernt:
„Herr: Es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß. Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren und auf den Fluren lass‘ die Winde los. Befiehl den letzten Früchten voll zu sein, gib Ihnen noch zwei südlichere Tage dränge sie zur Vollendung hin und jage die letzte Süße in den schweren Wein.“ Das erbittet er für den Herbst.
Rilke lebte damals fast am Existenzminimum, musste mangels Geldes umziehen, seinen Haushalt auflösen und hoffte auf Honorare, die ihm aufhelfen sollten, nachdenklich fährt er fort:
„Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr, wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben, wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben und wird auf den Alleen hin und her unruhig wandern, wenn die Blätter treiben.“
Schicksalsergeben beschreibt er seine eigene Angst vor der dunklen Jahreszeit.
Und wir? Für solche kritischen Momente in unserem Leben hoffe ich: Gott schenkt uns eine gesegnete Ernte und Mitmenschen, die auch in der dunkleren Jahreszeit Anteilnahme zeigen und Begleitung sein können.
Mit Gottes Segen Ihnen eine gute Nacht.
Deutsche Gedichte und Ihre Interpretationen, Insel Verlag Frankfurt und Leipzig 2002, S. 253 ff.