Warum musste mir das passieren? Warum ist meine Tochter so schwierig? Warum kann ich mit meiner Schwester nicht reden? Es gibt immer solche Warum-Fragen, an denen wir uns die Zähne ausbeißen. Wir wollen unsere Probleme loshaben, aber es bleibt ein Rest, der sich nicht lösen lässt. Daran haken sich die Gedanken fest, das quält. Vielleicht hilft ein Vers von Rainer Maria Rilke, das Ungelöste auch mal einfach loszulassen:
Du musst das Leben nicht verstehen,
dann wird es werden wie ein Fest.
Und lass dir jeden Tag geschehen
so wie ein Kind im Weitergehen
von jedem Wehen
sich viele Blüten schenken lässt.
Nur für heute – heißt es bei den Anonymen Alkoholikern, nur für heute fasse ich meinen Vorsatz. Nur für heute, könnten wir sagen, lasse ich das Grübeln mal bleiben, lasse ich mir den Tag mal einfach geschehen. So wünsche ich Ihnen eine gute Nacht und einen gesegneten Sonntag.
Aus: Rainer Maria Rilke, Lektüre für Minuten, ausgewählt von Ursula und Volker Michels, Insel, Frankfurt/M 1988