Jeder Mensch glaubt, sich selbst am besten zu kennen. Ist ja auch wahr, wie uns zumute ist, werden wir selbst am besten wissen. Nur unsere Macken und Schwächen - die sehen wir oft nur sehr unscharf. Wir erkennen sie aber bei den anderen ganz genau. Der Philosoph Arthur Schopenhauer hat dieses Phänomen wunderbar beschrieben. Er sagt:
Wie man das Gewicht seines eigenen Körpers trägt, ohne es zu fühlen, so bemerkt man auch nicht die eigenen Fehler und Laster, sondern nur die der andern.
Dafür aber hat jeder am andern einen Spiegel, in welchem er seine eigenen Laster, Fehler und Unarten aller Art deutlich erblickt. Allein meistens verhält er sich dabei wie der Hund, der gegen den Spiegel bellt, weil er nicht weiß, dass er sich selbst sieht, sondern meint, es sei ein anderer Hund.
Es lohnt sich, darüber nachzudenken: Wenn uns nach Bellen zumute ist - vielleicht sind es ja unsere eigenen blinden Flecken, die wir da anbellen wollen.
Eine gute Nacht wünsche ich Ihnen und Gottes Segen.
Arthur Schopenhauer, aus: Gute Gedanken für alle Tag, Hg. Evelyne Polt-Heinzl, Reclam, Stuttgart 2000, S. 77