23.02
2025
21:58
Uhr

Wohlwollen

Ein Beitrag von Angelika Obert

Jede Generation glaubt an ihre eigene Fortschrittlichkeit. Was früher war, wird belächelt. Was danach kommt, missbilligt. Es sollte uns doch zu denken geben, dass sich das über die Zeiten hinweg immer wiederholt. Vielleicht halten sich Gewinn und Verlust in jeder neuen Generation einfach die Waage. So hat es Kurt Tucholsky einmal gesagt: 

Die Leute blicken immer verächtlich auf vergangene Zeiten, weil die dies und jenes noch nicht besaßen, was wir heute besitzen. Aber dabei setzen sie stillschweigend voraus, dass die neuere Epoche alles das habe, was man früher gehabt hat, plus dem Neuen. Das ist ein Denkfehler. 

Es ist nicht nur Vieles hinzugekommen. Es ist auch Vieles verlorengegangen, im Guten und im Bösen. Die von damals hatten Vieles noch nicht. Aber wir haben Vieles nicht mehr. 

Darum sollten wir wohl nicht hochmütig sein im Gedanken an die früheren Generationen. Aber auch nicht so pessimistisch im Gedanken an die kommenden – auch sie werden ihren Weg finden. 

Eine gute Nacht wünsche ich Ihnen und Gottes Segen. 

Kurt Tucholsky, aus: Gute Gedanken für alle Tag, Hg. Evelyne Polt-Heinzl, Reclam, Stuttgart 2000, S. 192