Eine Woche auf der Insel Hiddensee im Mai. Die Insel war ein beliebter Ort für viele Künstler, auch der Lyriker Hanns Cibulka, der die Insel oft besucht hat und in seinen Tagebüchern darüber geschrieben hat. Eines seiner Gedichte aber hat mich besonders angesprochen. Es heißt „Sturm“.
"Segelharte Böen / knallen an die Mauer, / o dieser Hunger nach Weite, / nach Raum. // Sturm, / die Luft in meinem Zimmer / ist verbraucht, / ich stoß das Fenster auf. // Wo beginnen, / schrei ich ihm entgegen. // Dort, / wo deine Fragen offen sind." (1)
Hier spricht der Dichter in der Metapher des Sturmes von seinem Innenleben. Wir alle erleben auf unserem Lebensweg Zeiten, doch dann kommt der harte Wind oder gar Sturm. Der kann etwas bedrohliches, ängstigendes, beengendes haben. Da sehnen wir uns nach Weite. Der Sturm steht für eine Zeit des Umgetriebenseins, des Chaotischen. Auch der Unruhe - in uns.
Schnell entsteht der Wunsch, das Innere zu ordnen. Doch wie? Im Gedicht gibt der Sturm selbst die Antwort: Fang dort an, wo deine Fragen offen sind. Offene Fragen ordnen das Chaos. Ich kann allein nach Antworten suchen oder sie mit vertrauten Menschen teilen. Oft sind es dieselben Fragen, die andere beschäftigen, und ich erfahre, dass ich mit ihnen nicht allein dastehe.
Eine gute Nacht mit Gottes Segen.
Hanns Cibulka, Aus Wo deine Fragen offen sind. Gedichte. Herausgeber. Literarische Gesellschaft Thüringen 2013.