Eines meiner Lieblingsbücher ist der Roman „Zusammen ist man weniger allein“ der Schriftstellerin Anna Gavalda. Die folgende Szene daraus erzählt von einer besonderen Geste.
Die junge Camille sitzt mit ihrer Mutter in einem kleinen chinesischen Restaurant. Die Mutter klagt über ihr verpfuschtes Leben und setzt die Tochter herab. Lange nachdem die Mutter gegangen ist, sitzt Camille noch traurig da und streicht die Papiertischdecke glatt. Dann fängt sie an, darauf zu zeichnen, Bambusstämme, Blätter, Tiere. In einer Ecke sitzt der Urgroßvater der chinesischen Familie im Rollstuhl. Er ist neugierig und nörgelt so lange, bis man ihn zu ihr an den Tisch schiebt. Die junge Frau sieht ihn an, dann malt sie einen kleinen alten Mann, der vergnügt an einem Reisfeld entlangläuft. Der Alte betrachtet das Bild still, dann lacht und weint er. Er hat sich darin wiedererkannt. Camille hat ihm einen Moment der Zärtlichkeit geschenkt, den sie von ihrer Mutter nie erhalten würde.
Tröstliche Szenen wie diese machen Anna Gavaldas Bücher aus, eine ideale Bettlektüre. Für heute wünsche ich Ihnen eine gute Nacht!
Anna Gavalda, Zusammen ist man weniger allein. Fischer, 2006 S.