Es ist eins der beliebtesten Andenken im Souvenirshop: Das Ost-Ampelmännchen. Da, wo ich zuhause bin, in Berlin-Neukölln hat es sich behauptet: mit seinem schön altmodischen Hut mit der Krempe und breit ausgestreckten Armen. Mit weitem Schritt – fast forsch – lädt es ein bei Grün zu gehen. Die meisten Ost-Ampelmännchen wurde nach der Wende gegen den schlanken Ampelmann aus dem Westen ausgetauscht. Bis jemand eine Rettungsaktion startete. Und das Ampelmännchen auf einmal eine Karriere als Souvenir hinlegte, es wurde sogar Kulturgut, ein Symbol für die deutsch-deutsche Wiedervereinigung. Vielleicht auch weil es freundlicher ist und irgendwie klarer als die West-Ampelmännchen.
Das Ost-Ampelmännchen verkürzt mir also den Moment des Wartens bei Rot und übt mich in Geduld. Eigentlich bin ich darin nicht so gut, echt nicht. Und dann schaltet die Ampel um und es geht los über die Straße bei Grün. Manchmal muss ich warten, manchmal geht es direkt weiter. Warten und losrennen. Ein ständiger Wechsel. Die richtige Mischung macht es. Alles zu seiner Zeit. Oder: „Alles hat seine Zeit“ wie es in der Bibel, im Alten Testament heißt.
„Weinen hat seine Zeit, und Lachen hat seine Zeit
Streit hat seine Zeit, Friede hat seine Zeit.
Schweigen hat seine Zeit, und Reden hat seine Zeit.“[1]
An der Ampel warten und weitergehen – hat seine Zeit.
Gott schenkt mir die Zeit für all das. Lebenszeit. Er mutet mir dabei zu, zu erkennen, was jeweils jetzt gerade dran ist. Gar nicht immer so einfach wie bei der Fußgängerampel. Gehen oder bleiben? Schweigen oder reden? Handeln oder Abwarten? Manchmal braucht die richtige Antwort nur eins: Zeit.
[1] Die Bibel, Prediger 3