Blumen auf der Wiese im Sonnenuntergang
19.05
2025
06:50
Uhr

Tempelhofer Feld

Wie sie das genießt, die beste aller Ehefrauen. Die Tage sind wieder schön lang. 

Wie andere Berliner auch, gehen wir beide gerne dann zum Sonnenuntergang auf das Tempelhofer Feld. 

Da tummeln sich die Skater. Sie üben akrobatische Figuren, fallen hin - stehen wieder auf. Die Joggerin dreht unverdrossen ihre Runde in Leggings. Vom Grill duftet es eindeutig nach Lammfleisch. Die türkisch - arabischen die Frauen in dunklen Gewändern und Chador. Die Männer ein Stückchen entfernt, gerne auch mit dampfender Wasserpfeife in der Mitte. Die Kinder wild balgend oder mit dem Fahrrad unterwegs. Die Schillerkiez Community – also meine Nachbarschaft - hängt in den Gemeinschaftsgärten ab. Man hört viel Englisch, spanische Fetzen, natürlich Türkisch und auch Arabisch. Wie eines der Wimmelbilder- bloß für alle Sinne: zum Schauen, schmecken, hören, riechen. 

Und wir seniorenkartenberechtige Grauhaare sind mitten dazwischen, nach dem angespannten Tun des Arbeitstages.

Jetzt ist gut. Alles ist gut. Wirklich alles. Es ist so, als habe Gott selbst an diesem Abend die Welt genau an dieser Stelle geküsst. Am anderen Ende des Feldes – hinter dem Flughafengebäude – geht die Sonne unter. Alle gucken gebannt. Es wird ruhiger auf dem Tempelhofer Feld, kurz bevor der letzte schmal Streif am Horizont verschwunden ist. Ein kleiner magischer Moment, ein Augenblick für die Ewigkeit. Viele gucken romantisch. Einige zücken das Handy. Andere nehmen sich besonders fest in den Arm oder einfach noch genussvoll einen Schluck aus der Flasche.

Wo ansonsten alle schön getrennt in ihren Welten leben: Die einen im Office, andere am Dönerspieß oder in den Wohnungen – hier auf der ehemaligen Start- und Landebahn des vor Jahren still gelegten Flughafens – hier wo der Himmel so groß ist, wie sonst nirgends in der Hauptstadt – da kommen wir alle zusammen. Was Besonderes liegt in der Luft. Man bekommt eine Ahnung, wie gut die Welt doch sein könnte und wie schön es im Himmel vielleicht sein wird. 

„Und es werden kommen von Osten und von Westen, von Norden und von Süden, die zu Tisch sitzen werden im Reich Gottes.“[1], so sagt es Jesus und malt die Zukunft. Ein Wimmelbild von der Sehnsucht aller Menschen nach Gott und seinem Reich. An einem Tag im Mai auf dem Tempelhofer Feld, bei Sonnenuntergang, da ganz besonders. Vielleicht sieht man sich mal.  

 


[1] Die Bibel, Lukas 13,29