Es ist mein größtes Demokratiegeschenk: dass ich frei reisen kann.
Ich bin in West-Berlin geboren und konnte eigentlich reisen: nach Schweden und Italien, Dänemark und Frankreich, aber nicht in meine allernächste Heimat: nach Ost-Berlin und Brandenburg. Transitverkehr und Tagesvisum – das war nicht reisen, war nie unbeschwert. Doch dann fiel die Mauer und aus der halben Stadt, in der ich lebte, wurde eine ganze. Aus der Transitstrecke wurde grünes Land und Kiefer, wurden Seen und Dorfkirchen, Dialekt und Spezialitäten, Kunstschätze und Gastfreundschaft. Berlin ist toll, Brandenburg ist schöner! Ich darf beides erleben und kann und will es mir gar nicht mehr anders vorstellen.
Und dann sehe ich doch, was uns immer noch trennt oder neu zu trennen scheint: Die unterschiedlichen Wahlergebnisse in Ost und West, verschiedene Wahrnehmungen und Lebenswirklichkeiten in Stadt und Land. Ein anderer Blick auf die Vergangenheit und Gegenwart. Arroganz da und Ablehnung dort, Enttäuschung und manchmal sogar Hass. Ich sehe, was fehlt an Infrastruktur und Wertschätzung, an wechselseitiger Wahrnehmung und hoffnungsvoller Aufbruchsstimmung, an Zuversicht.
Was mir hilft, ist reisen: in meiner Stadt von Steglitz nach Weißensee, von Wilmersdorf nach Treptow, von Hellersdorf nach Kreuzberg. Von Berlin nach Fürstenwalde, in den Spreewald und die Uckermark, nach Prenzlau und Perleberg. Das erdet mich. Es rückt meine oft eingeschränkte Sicht zurecht und zeigt mir, dass meine Sorgen, Ansprüche und Wünsche doch relativ sind und man die Dinge immer auch anders sehen und erleben kann.
Ich wünsche mir die Kunst des Pilgerns, die Jesus vorgemacht hat, indem er in seiner Heimat immer unterwegs war: zu Fuß von Dorf zu Dorf und in die Städte und zwar ohne Vorbehalte, einfach weil er Menschen nahe sein wollte, um sie besser zu verstehen.
Ich wünsche mir den Zauber von Gemeinschaft wieder: nicht warten, dass die da oben etwas machen oder schimpfen auf die anderen, die angeblich nur arrogant sind oder immer bloß rumjammern.
Ich wünsche mir das: Beteiligung von uns allen. Jeder nach seinen Gaben. Ein Leib, viele Glieder – so steht es in der Bibel. So geht es mir mit diesem Land und meiner Heimat: Sie ist so vielfältig und wunderschön. Ich will, dass wir zusammenbleiben.