„Ich bin Sieger der Geschichte“, erzählt mir der Friedens- und Menschenrechtsaktivist Ralf Hirsch klar und selbstbewusst bei einem Gespräch. Er wurde in der DDR drangsaliert und musste für sein Engagement in der Friedensbewegung schließlich ins Gefängnis gehen. Auf Druck des Regimes reiste Hirsch schließlich in die Bundesrepublik aus. Erst später erfuhr er von der Solidaritätswelle in der DDR, die es damals für ihn gab. Sein Anwalt hatte diesen Umstand nicht nur verschwiegen, sondern seinen Klienten sogar verraten. Er wurde später als inoffizieller Mitarbeiter der Stasi enttarnt. Wie geht ein Mensch mit so einem Verrat um, wollte ich von ihm wissen – und dann fiel dieser entscheidende Satz: „Ich bin Sieger der Geschichte“ – denn gewonnen habe nicht die Diktatur, sondern die Demokratie; gewonnen habe nicht der Anwalt, der ein Verräter war, sondern Menschen wie Ralf Hirsch, Menschen die sich für Freiheits- und Menschenrechte einsetzen. Heute wie damals. Er sei glücklich, schon so lange in der Freiheit einer Demokratie zu leben. Der Satz hat sich mir eingeprägt - gerade in diesem Superwahljahr, wo überall beschworen wird, es gehe nun um nichts weniger als die Demokratie.
Demokratie ist kein ur-protestantischer Begriff. Es hat sogar verhältnismäßig lange gedauert, bis die evangelische Kirche die Demokratie für sich entdeckt hat. Anders verhält es sich mit dem Begriff der Freiheit: Martin Luther hat lange über die „Freiheit eines Christenmenschen“ nachgedacht. Wenn Luther von dieser Freiheit redet, beschreibt er ein scheinbares Paradox: Christen sind frei durch ihren Glauben, weil sie wissen, dass sie von Gott geliebt werden, einfach so. Das ist befreiend. Christen fühlen sich aber durch dieses Wissen auch verpflichtet, dafür zu sorgen, dass es auch Anderen gut geht.
Freiheit heißt eben nicht, jeder macht was er will. Meine Freiheit endet bei meinem Gegenüber. Freiheit in einer Demokratie entsteht gerade in der Auseinandersetzung mit Anderen. Zuhören ist dabei ein wichtiger erster Schritt. Hören, welche unterschiedlichen Erfahrungen Menschen in diesem Land gemacht haben. Wie verschieden sie sich für Freiheit eingesetzt haben und einsetzen mussten. Freiheit in einer Demokratie heißt: lernen voneinander. Das ist ziemlich anstrengend. Aber es lohnt sich. Damit am Ende alle glücklich sein können.