Ein Erntewagen fährt über ein Feld, umgeben von hohen, goldenen Gräsern. Im Hintergrund sind Bäume mit buntem Laub in Herbsttönen zu sehen. Der Himmel ist teils bewölkt, und Staub wirbelt von der Erntearbeit auf.
05.11
2025
06:50
Uhr

Das andere Leben

Viele Worte der Bibel klingen wie aus einer anderen Welt. Das gilt auch für Worte, die Jesus in den Mund gelegt werden. Rund 2000 Jahre liegen zwischen seiner und unserer Lebenswirklichkeit. Ungefähr 2887 Kilometer Luftlinie liegen zwischen Berlin und Israel, dem Land, in dem Jesus geboren wurde. Eine überschaubare Welt war das, geprägt von Landwirtschaft, Handwerk und Fischerei – kein Wunder also, dass das die Gleichnisse Jesu genau diese Lebenswirklichkeit oft aufgreifen: Da ist vom Menschenfischer die Rede, zu dem Jesus seinen Jünger Petrus machen will – oder vom reichen Kornbauern, der eine Scheune nach der anderen baut für seinen Besitz, am Ende aber stirbt, ehe er seinen Reichtum genießen kann. Schöne Texte sind das – aber manchmal eben auch schwer zu verstehen im digitalen Zeitalter. Doch manchmal passieren Wunder und dann steckst Du plötzlich mitten drin in dieser Jesus-Wirklichkeit im Jahr 2025. Eine Woche Herbsturlaub an der Küste – irgendwo in Mecklenburg-Vorpommern: Wind und Weite, Vogelflug und buntes Herbstlaub – Zeit für lange Spaziergänge durch die Felder. Die werden gerade winterfein gemacht. Während ich meine Handy- und Laptopfreie Zeit genieße, pflügt neben mir ein Bauer das längst abgeerntete Maisfeld. Es ist riesig – genau wie die Maschine, die sich langsam und mächtig durch den Boden pflügt und dunkles Erdreich hochwirft – hier und da auch noch einen gelben Maiskolben. Es duftet nach Erde. Ich bleibe stehen, bin beeindruckt, hebe die Hand zum Gruß – der Bauer oben hinter dem Lenkrad im Führerhäuschen auch. Was für ein Leben, denke ich bei mir – und wie so ganz anders als meins, die ich in der Großstadt zuhause bin und meine Arbeitstage im dichten Verkehr und hinter Bürotüren verbringe. Er hier zieht alleine seine Bahnen bis tief in die Dämmerung hinein. Am Ende ist das Feld fertig – und ich beneide ihn darum. Wie schön muss es sein, wenn das Tagewerk so gut sichtbar geschafft und ausgebreitet vor einem liegt. Noch dazu draußen in dieser herrlichen Luft. Klar – das ist Städterrinnenromantik, von einer, die wenig Ahnung hat – ich weiß. Und denke beim Nachhause gehen: Wie verschieden unsere Leben sind. Und wie schön, wenn sie für einen Moment einander begegnen – wie gerade ich und der Kornbauer mitten im Herbst.