„Opa, was hast Du früher alles erlebt?" Wahrscheinlich habe ich meinen Großvater mit dieser Frage genervt. Er, der im Ersten Weltkrieg kämpfen musste, humpelte noch immer, und manchmal sah ich sein Holzbein in der Ecke stehen. Als kleiner Junge wollte ich aber verstehen: Was war wichtig in deinem Leben? Was hat dich geprägt?
Diese Frage hat mich nie losgelassen. Auch heute noch, wenn Menschen mir von entscheidenden Momenten erzählen – von der Flucht aus der Heimat, vom Mauerfall, von Krankheit oder Verlust. Dann spüre ich: Es ist wichtig, dass jemand zuhört. Dass jemand aufschreibt. Dass es nicht vergessen wird.
Genau das hat auch den Evangelisten Lukas angetrieben, dessen Festtag heute ist. Lukas, der Arzt war und den Apostel Paulus auf seinen Reisen begleitet hat, wollte alles sammeln und aufschreiben, was er über Jesus Christus erfahren konnte.
„Schon viele haben sich darangesetzt, einen Bericht über die Ereignisse zu schreiben, die bei uns geschehen sind", beginnt sein Evangelium. „Jetzt habe ich mich entschlossen, allem sorgfältig nachzugehen und es für dich, verehrter Theophilus, der Reihe nach aufzuschreiben."
Theophilus – ein sogenannter „Heidenchrist". Einer, der erst kürzlich gläubig geworden war. Vielleicht jemand mit Zweifeln, mit Fragen. Für ihn schreibt Lukas auf, was geschehen ist. Nicht Märchen, sondern reale Ereignisse. Nicht für anonyme Massen, sondern für einen konkreten Menschen, der verstehen will.
Auch mein Großvater hat nie viel erzählt. Aber wenn, dann für mich – den Enkel, der fragte. Und Lukas schreibt für Theophilus – und damit für alle, die nach ihm fragen würden.
Vielleicht sind Sie heute ein solcher Theophilus: einer, der Fragen hat. Jemand, der verstehen will. Dann könnte das Lukas-Evangelium wie ein persönlicher Brief an Sie sein. Denn Theophilus bedeutet übersetzt ‚Gottesfreund'. Und genau das will Lukas uns sagen: Diese Geschichte ist für dich aufgeschrieben, du Freundin oder Freund Gottes.