Die Geschichte „Der Junge und das Meer" hat mich gepackt. Der kirgisische Schriftsteller Tschingis Aitmatow berichtet darin folgende Begebenheit:
Auf dem Ochtoskischen Meer schwimmt ein Boot mit Fischern und dem zwölfjährigen Kirisk. Nach erfolgreichem Robbenfang werden sie von einem gewaltigen Sturm überrascht. Alles Schwere muss über Bord – sogar die Beute. Sie behalten nur ein Fässchen mit Wasser. Dichter Nebel macht die Orientierung unmöglich.
Organ, ein weiser Fischer, verzichtet auf seine Ration. „Ich brauche nichts mehr" – und gibt sein Wasser dem fiebernden Jungen. Als Kirisk erwacht, ist der Alte verschwunden. Bald darauf geht auch sein Onkel über Bord. Der Zwölfjährige begreift nicht, was geschieht. Voller Angst klammert er sich an seinen Vater – den letzten Erwachsenen, der noch bei ihm ist. Aber der weiß: Mein Sohn hat nur eine Chance, wenn auch ich gehe. Und folgt den anderen.
Kirisk erwacht. Vor Einsamkeit schreit er um Hilfe. Erst nachdem ein leichter Wind die Nebel lichtet, wischt er sich die Tränen aus den Augen. Ihm wird bewusst: Das Opfer der anderen darf nicht umsonst sein. Er trinkt den letzten Schluck und findet mit Hilfe der Sterne seinen Heimweg.
Ja, es stimmt: Hingabe ermöglicht Leben. Im Kern des christlichen Glaubens steht diese Wahrheit: 'Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben hingibt für seine Freunde', sagt Jesus. Er hat es vorgelebt - und unzählige Menschen sind seinem Beispiel gefolgt. Eine von ihnen war die heilige Hedwig.
Katholische Christen in Berlin und Brandenburg denken heute besonders an die heilige Hedwig von Schlesien. Sie lebte im 13. Jahrhundert aus dieser Haltung heraus. Armen Menschen gab sie freigiebig alles, was sie besaß. In Berlin erinnern die Sankt Hedwigs-Kathedrale und das St. Hedwig-Krankenhaus an sie.
Außerdem ist sie Schutzpatronin der Versöhnung zwischen Deutschen und Polen – weil sie wusste: Versöhnung braucht Menschen, die bereit sind, etwas von sich zu geben.