In einem Kloster gab es einmal einen Mönch, der das Amt des Gärtners hatte. Der beschloss, einen neuen Weinstock zu pflanzen – eine edle Rebsorte, die in diesen Breiten noch fast unbekannt war. Damit der Setzling auch gut wachsen konnte, suchte der Mönch einen besonders schönen Platz auf der Südseite des Klosterhanges aus, gab reichlich Dünger in den Boden und beschnitt die Reben immer wieder sorgfältig. Doch als es Herbst wurde, brachte der Weinstock keine Früchte.
Da überlegte der Gärtner, ob es nicht doch noch einen besseren Platz für seinen Weinstock gäbe – vielleicht etwas näher am Fluss, wo es immer frisches Wasser gibt? So grub er die Wurzeln vorsichtig aus und pflanzte sie dort wieder ein, wo es ihm günstiger erschien. Doch auch in diesem Jahr gab es nichts zu ernten.
So leicht gab der Mönch allerdings nicht auf! Womöglich war die Stelle zu wenig vor Wind und Wetter geschützt? Also grub er den Weinstock wieder aus und versetzte ihn an eine gut abgeschirmte Ecke im ummauerten Klostergarten. Doch auch in der folgenden Erntezeit fand er keine Spur von Trauben.
Nahe am Verzweifeln machte er noch einen Versuch: In der Nähe der Abtei gab es eine heilige Grotte mit einem Bildnis der Jungfrau Maria darin, die als Wallfahrtsort verehrt wurde. Dort in die Nähe grub er seinen Weinstock ein weiteres Mal ein. Es konnte ja sein, dass die wunderbare Aura dieses Ortes sich günstig auf das Wachstum der Trauben auswirkte. Aber auch in diesem Jahr hatte der Gärtner kein Glück; der Weinstock brachte nur ein wenig spärliches Laub hervor, und sonst nichts. Wütend grub der enttäuschte Mönch das unnütze Gewächs wieder aus und warf es auf dem Rückweg in den Straßengraben.
Viele Jahre später, als er die Sache längst vergessen hatte und sich mit anderen Dingen beschäftigte, kam der Gärtner zufällig noch einmal an dieser Stelle vorbei. Da war der Weinstock, der seine Wurzeln inzwischen tief in die Erde gegraben hatte, und seine Reben hingen unter der Last reifer Trauben schwer zu Boden. Alles, was er in Wahrheit gebraucht hatte, war etwas Zeit am selben Ort, um in Ruhe zu wachsen.


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