Keine Sorge, gleich kommt wieder Musik hier im Radio. Und heute dürfen Sie sogar dazu tanzen, wenn Sie wollen. Gestern dagegen herrschte noch Tanzverbot in ganz Deutschland. Denn gestern war Totensonntag, ein sogenannter »Stiller Tag« nach dem deutschen Feiertagsgesetz. Schon das Wort klingt seltsam, oder? Tanzverbot. Als könnte man den Leuten tatsächlich verbieten, sich rhythmisch zur Musik zu bewegen. Gemeint ist tatsächlich nur, dass es an bestimmten Tagen keine großen öffentlichen Veranstaltungen mit Musik oder Sport geben soll. Die Idee dahinter: Wenigstens an ein paar Tagen im Jahr soll im ganzen Land einfach mal Stille einkehren. Lärm und Betriebsamkeit haben Pause, damit alle mal kurz zur Ruhe kommen können.
Diskussionen darum gibt es wahrscheinlich schon solange wie die sogenannten Tanzverbote selber. Die Kirchen waren oft dafür, die »Stillen Feiertage« streng einzuhalten; besonders an Karfreitag. Da entsteht leicht der Eindruck: Mit Ausgelassenheit und Spaß haben es die Christen wohl insgesamt nicht so.
Dabei spielt gerade das Tanzen schon eine wichtige Rolle in der Geschichte des Glaubens. Schon König David im Alten Testament tanzt vor Freude, als die Bundeslade Gottes wieder nach Jerusalem zurückgeholt wird. Dass seine eigene Frau das wenig würdevoll findet, stört ihn dabei gar nicht. Die christliche Kunst kennt seit alter Zeit Darstellungen vom tanzenden Christus, der voller Lebensfreude seinen Sieg über den Tod feiert. Und in vielen religiösen Gemeinschaften gab und gibt es Gruppentänze als so etwas wie ein gemeinsam getanztes Gebet.
Und das alles ist kein Zufall. Ich glaube, wer beim Tanzen so richtig loslassen kann, sich ganz der Musik überlässt und keine Angst mehr hat, wie die anderen das wohl finden – der wird in dem Moment frei von den Zwängen der Welt und offen für die Wirklichkeit Gottes. Das heißt zwar nicht, dass man am besten immer nur fröhlich sein und tanzen soll. Aber schon der biblische Weisheitslehrer Kohelet wusste: Es gibt eine Zeit zum Weinen und eine Zeit zum Lachen, eine Zeit für die Klage und eine Zeit für den Tanz.


Wendy Wei | Pexels