Wein in guter Gesellschaft
28.11
2024
06:50
Uhr

Frischer Wein

Vom Neuwerden und Wachsen

Ein Beitrag von Bernhard Holl

Seit einer Woche steht in den Weinregalen wieder der neue Beaujolais. Junger Wein von diesem Jahr, der nicht gelagert, sondern ganz frisch getrunken wird. Für Liebhaber dieses französischen Rotweins ist das jeden November ein kleines Fest, wenn die erste Flasche des Jahres geköpft wird und man das erste Glas mit Freunden, Baguette und Käse genießt. 

Dabei ist Neuer Wein bei Kennern durchaus umstritten. Manche lieben ihn, anderen ist er zu unausgereift, zu wenig komplex und macht angeblich Kopfschmerzen. Und ob Sie es glauben oder nicht – schon im Alten Testament der Bibel ist davon die Rede! Der Weisheitslehrer Jesus Sirach vergleicht den neuen Wein mit einem neuen Freund. Der ist vielleicht schon an sich ganz in Ordnung, aber erst wenn die Freundschaft viele Jahre gereift ist, entfaltet sie ihr ganzes Potenzial. Dann weiß man wirklich, was man an dem Freund hat.

Im Neuen Testament greift Jesus von Nazareth das Wort vom Neuen und Alten Wein auf: Jungen Wein soll man nicht in alte Schläuche füllen, heißt es in einem seiner Gleichnisse. Sonst macht der frische Wein den alten Lederbehälter rissig und läuft aus. Das mag zum einen ein ganz guter Haushaltstipp sein. Aber ganz oft wollte Jesus mit solchen Vergleichen auch etwas über den Glauben an Gott sagen. Was er hier meint, ist wie so oft ein wenig rätselhaft.

Aber vielleicht geht es darum: Wenn ich eine neue Idee aufnehmen will, dann muss ich dazu auch mich selber erneuern. Neue Vorstellungen, Werte und Verhaltensweisen kann man niemandem einfach eintrichtern, der dazu nicht bereit ist. Damals, zur Zeit von Jesus, waren viele seiner Aussagen neu und ungewohnt: Liebt eure Feinde! Betet für die, die euch Böses wollen!

Aber auch heute noch, nach vielen Jahrhunderten, kann diese Botschaft wie ein junger Wein in einem alten Schlauch sein: Ich kann das Wort Nächstenliebe hören und aussprechen, ohne dass mein Verhalten im Geringsten dazu passt. Aber wenn ich zulasse, dass diese Liebe, von der Jesus spricht, mich selbst verwandelt und neu macht, dann kann mich diese Liebe auch erfüllen.