„Der Mensch lebt nicht vom Brot allein.“ Mein Nachbar kann mir auf den Balkon gucken. Das vergesse ich regelmäßig. Heute werde ich durch sein Rufen wieder einmal daran erinnert. Ich sitze auf meinem Balkon und schmiere mir ein Butterbrot. Hat er offensichtlich gesehen, jedenfalls ruft er mir zu: „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein – es muss auch Butter und Käse sein!“
Wir müssen beide lachen. Ich lasse mich beim Stulleschmieren nicht weiter stören und mein Nachbar hat offensichtlich Langeweile. „Frau Nachbarin, so als Pfarrerin wissen Sie bestimmt, wo das herkommt?“ „Das Brot?“, frag ich ihn, „das hab ich unten an der Ecke beim Bäcker geholt.“ „Nee, ich mein den Spruch. Der Mensch lebt nicht vom Brot allein.“
Weiß ich wirklich! Aber was ich ihm zuerst verrate ist, dass heute der Tag des Butterbrotes ist. Seit 25 Jahren wird der am letzten Freitag im September zelebriert. Und ich erinnere mich jedes Jahr mit einem Butterbrot am Morgen daran. Für mich gibt’s wenig besseres, als frisches Brot mit Butter.
„Naja“, sagt mein Nachbar, „ich find ja Wurscht und Käse och nich schlecht. Jedenfalls darfs schon n`bißchen mehr sein, als ne Butterstulle. Und wo kommt jetzt der Spruch her? Der Mensch lebt nich vom Brot alleene?“
Wenig überrascht erfährt der Nachbar von Balkon zu Balkon, dass der Spruch tatsächlich aus der Bibel stammt. Und dass es keineswegs darum geht, dass trockenes Brot langweilig ist und „Wurscht und Käse“ braucht, um zu schmecken. Vielmehr heißt es in der Bibel, dass der Mensch außer dem Brot noch Gottes Wort braucht. „Dit macht ja nu ma ja nicht satt!“, lässt sich mein Nachbar hören. Da hat er wohl recht. Aber als wir dann darüber nachdenken, was man denn braucht, um wirklich satt zu werden, stellen wir fest, dass es allein mit Essen und Trinken eben nicht getan ist. Lebenssatt wird man so richtig erst, wenn nicht nur der Körper, sondern auch die Seele genug Nahrung hat.
Und dafür braucht der eine Gottes Wort, die andere eine Umarmung, wieder andere Kino und Theater oder aber Netflix im Freundeskreis.
„Also meine Seele kriegt ihr Futter Samstagnachmittag, Bundesliga, Fußball. Und am liebsten unten in der Kneipe!“ So unterschiedlich sieht das Seelenfutter aus, einig sind wir uns aber am Ende: Der Mensch lebt nicht vom Brot allein.