20.11
2024
06:50
Uhr

Ein Bußpsalm

Aus der Tiefe rufe ich, Herr, zu Dir, vernimm die Stimme meines Flehens, denn ich versinke in dunklen Gedanken. Gefühlt jeden Tag. Ich beginne, die Hoffnung zu verlieren und meine Zuversicht. Wo ich hinsehe Chaos und Streit. Und es wird scheinbar nicht besser, sondern mit jedem Tag noch etwas schlimmer. Baustellen in meiner Stadt und irgendwie scheint gerade die ganze Welt eine einzige Baustelle zu sein. Gott, ich habe meine Sorglosigkeit verloren, das gute Grundgefühl, das alles irgendwie schon werden wird. Doch es wird schlimmer: Die Menschen werden nicht einsichtiger, der Hass und die Gier nicht weniger. Das Bündnis mit der Natur scheint aufgekündigt. Zu warm und zu trocken der Herbst, verschlammt und verkrustet die Städte im spanischen Valencia. Es bricht sich Bahn, was Menschen der Natur angetan haben. 

Da fällt mir ein: Ich bin ja auch ein Mensch. Ich habe Anteil an dem allen – auch wenn ich nicht an allem schuld bin. Heut ist ein Tag, wo dass getrost bedacht werden darf: Ganz still und leise – nur zwischen Gott und mir. Ich bin ein Mensch. Und Menschen machen Fehler. Heut werden all die Rufe aus stumm geschaltet, die da lauten: Die da oben – oder die da unten sind schuld. Die Flüchtlinge oder die Politiker, der Nachbar, der mich stört oder die Lehrerin, die mein Kind so ungerecht behandelt. Nein, heute stehe ich im Focus. Der Spot dreht sich und ich stehe im Scheinwerferlicht mit meinen Schwächen, mit meinen Fehlern, mit meinen Macken und allen Fettnäpfen, in die ich getreten bin. Es ist keiner da, dem ich die Schuld geben kann. Also suche ich sie zur Abwechslung mal bei mir und stelle fest: 

Mein Ton ist rauer geworden, hoffnungsloser, bisweilen sarkastisch. Ich bin nervöser und gereizter. Ich bin oft überfordert und teile an andere aus, die gar nichts dafürkönnen. Ich habe vergessen, dass Menschen sich ändern und umkehren können. Mein Glaube ist schwach geworden, dass Du Gott, es gut mit mir meinst und auch mit dieser Erde. Auch mit all denen, die so unerträglich und böse und blöde sind, eben anders als ich. 

Aus der Tiefe des Buß- und Bettages, der zwar kein richtiger Feiertag mehr ist, aber nach wie vor noch ein evangelischer, rufe ich, Herr, zu Dir: Mache mich neu. Stärke meine Zuversicht und meine Hoffnung. Gib mir Kraft für eine Vision von einer besseren Welt.