Bei meiner Patentante im Flur hing früher ein Plakat. Angekündigt war dort ein Konzert von Wolf Biermann. Seine neue Platte war damals – 1982 – gerade heraus gekommen. Auf dem Plakat steht der Liedermacher vor einer Mauer. Sie ist zugerankt mit Blumen. Biermann dreht einem den Rücken zu. Er schaut auf die zugewachsene Mauer, auf seinen Armen hält er zwei Kinder. Das eine steckt nachdenklich den Finger in den Mund, das andere hält sich mit der Hand an seiner Schulter fest. Beide schauen mit großen Augen in die Kamera. Neugierig. Zurückhaltend. Wolf Biermann hält die Kinder und trägt dabei ein T-Shirt auf dem steht: „Wir müssen vor Hoffnung verrückt sein.“
So beginnt dann auch sein erster Song auf der Platte: Sein „Willkommenslied für Marie“:
„Wir müssen vor Hoffnung verrückt sein Marie, du dunkle Sonne, dass wir dich warfen in diese Welt. Schlaf ein, du Dickmadonne, schlaf ein mit einem hellen Traum von Milch und nassen Küssen. Du wirst noch bald genug aus deiner Wiege steigen müssen.“
Ich mag diesen Text – und ich mag diese Formulierung: Wir müssen vor Freude verrückt sein. Passt zu Ostern, das ja bald ist. Und zu der Hoffnung, dass neues Leben immer möglich ist, sogar im Tod. Der Apostel Paulus formuliert diese verrückte Hoffnung so:
„Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden“ (2. Korinther 5,7).
Die Hoffnung, von der Paulus spricht, hat ihren Grund.
Sie kommt aus der Gewissheit: Ich bin geliebt. Bedingungslos. Das ist eine neue Realität, die meinem Leben Bedeutung verleiht, ganz unabhängig von Besitz, Fähigkeiten oder Leistungen.
Verrückt vor Hoffnung – dieses Gefühl braucht es in einer Welt, die so verrückt ist an vielen Stellen. Und es braucht Mut und Kreativität und sehr viel Liebe, um sie besser zu machen. Mit jedem Kind, das geboren wird, mit jeder Mauer, die fällt, mit jedem Hoffnungslied, das gesungen wird, geschieht das. Verrückt vor Hoffnung, weil das Alte vergehen wird – und Neues wird. Jeden Tag.