Bild: Rabbi, Imam und Pfarrer auf der Straße
08.05
2025
06:50
Uhr

Geschwister im Glauben

Ein Beitrag von Frank Städler

Der Anfang einer Gemeinschaft kann bestimmend sein für ihren weiteren Weg. Vor allem dann, wenn sich die Gegenwart der Gemeinschaft ab und an auf diesen Anfang und dessen Kraft besinnt! Wir hören in dieser Woche auf die Anfangsgeschichten der Christen, die im Buch der Apostelgeschichte beschrieben werden. Es sind die ersten Jahre dieser neuen Gemeinschaft, die aus der jüdischen Gemeinde in Jerusalem nur allmählich herauswächst. Und so finden wir die Apostel selbstverständlich im jüdischen Tempel. Sie beten dort, sie lehren dort. Haben sie keine eigene Kirche? Nein! 

Vielleicht können wir diese Anfangssituation mit einer Ausgründung einer Firma aus einer Mutterfirma verstehen. Der Mutterkonzern hat alles, was eine gut gehende Firma braucht. Hardware und Software. Hat Erfahrung und Tradition, ein ausgefeiltes Netzwerk und die lebensnotwendigen globalen Verbindungen. Aber dann geschieht etwas, das nicht planbar ist. Einige Mitarbeiter aus dem Mutterkonzern finden, dass es Zeit sei, etwas ganz Neues zu tun. Sie finden aber kein Gehör in der Chefetage. So distanzieren sie sich innerlich. Das geschieht nicht als offener Bruch, sondern als allmähliche Entwicklung. Denn irgendwie glauben jene, dass die anderen sich noch vom richtigen Weg des Neuen überzeugen lassen werden. Und so agieren jene so lange weiter im Mutterkonzern, bis dieser deren Tun nicht mehr akzeptieren kann.

Die ersten Christen stehen also kurz davor aus dem Tempel herausgeworfen zu werden. Verklagt zu werden. Und so wird bei dem Gerichtstermin, zu dem die Apostel geladen sind, viel Porzellan zerschlagen. Vorwürfe und Beschuldigungen stehen im Raum. Die jüdischen Vertreter der Jerusalemer Gemeinde sehen sich bedroht vom Erfolg des neuen Weges, den die Apostel gehen. 

Unsere Geschichte vom Anfang der Christen erzählt also auch von einer Trennung. Und die ist schmerzhaft, weil man nicht voneinander lassen kann und will. Und so ist es bis heute: Christen und Juden sind Geschwister im Glauben. Wir haben auch heute viel voneinander und haben viel davon, einander zu verstehen und beizustehen. Überall auf der Welt.