17.10
2024
06:50
Uhr

Hans im Glück: Weniger ist mehr

Ich liebe Märchen. Je älter ich werde, umso besser verstehe ich sie.

Neulich las ich wieder einmal „Hans im Glück“. Es erzählt von einem jungen Mann, der nach Jahren harter Arbeit mit einem großen Goldklumpen entlohnt wird. Auf dem Heimweg tauscht er diesen immer wieder gegen scheinbar weniger wertvolle Dinge, bis er schließlich nichts mehr hat. Da ruft er aus: „So glücklich wie ich, gibt es keinen Menschen unter der Sonne!“ 

Als Kind dachte ich immer: „Was für ein Depp. Er hat doch alles verloren!“ Aber heute, in einer Zeit, in der Minimalismus so aktuell ist, sehe ich es anders.

Hans‘ Geschichte zeigt, wie befreiend Loslassen sein kann. Obwohl er nichts Materielles mehr besitzt, fühlt er sich leicht und glücklich. Ich sehne mich so oft nach dem Weniger – nach weniger Dingen, weniger Terminen, weniger digitalem Lärm. Reduzieren bis zu dem Punkt, wo es wieder Spaß macht. 

Doch oft traue ich mich nicht, wirklich loszulassen. Habe Angst, etwas zu verpassen. Meine Arbeit nicht zu schaffen. Für einen wichtigen Anlass kein passendes Kleid im Schrank zu haben.

Ich wünsche mir, leichter loslassen zu können. Vielleicht, indem ich beginne, bewusster auszuwählen? Bevor ich Neues kaufe, zu überlegen, was ich wirklich brauche. Ein übersichtlicher Kleiderschrank schafft Luft zum Atmen.

Nicht jeder Termin ist notwendig. Nicht jede Einladung muss ich annehmen. Ein bewusstes „Nein“ schafft Platz für das, was mir wirklich wichtig ist. 

Auch die Flut an Informationen und Social-Media-Bildern belastet mich oft mehr, als sie mich bereichert. Ein „Weniger“ kann hier eine echte Erleichterung sein.

Loslassen bedeutet nicht Verlust, sondern Raum zu schaffen – für das Wesentliche. Wenn wir es schaffen, uns von Überflüssigem zu trennen, entsteht Platz für echte Freude, für Momente der Stille und Klarheit.

Hans im Glück zeigt uns, dass wir nicht mehr brauchen, um glücklich zu sein. Oft ist es gerade das Weniger, das uns die Freiheit schenkt, nach der wir uns sehnen. Denn das wahre Glück liegt nicht im Haben, sondern im Sein – und in der Freude eines leichten Herzens.