08.10
2024
06:50
Uhr

Herbst

Ein Beitrag von Cordula Machoni

Es gibt Tage, da stehe ich fast so müde auf, wie ich mich abends ins Bett gelegt habe. 
Die Nacht hat nicht gereicht, um auszuruhen. Von Jesus wird erzählt, dass er sich nach anstrengenden Tagen erstmal zurückzieht: auf einen Berg, auf einen See oder in die Wüste. Er sammelt dort die Eindrücke des Tages. Er bringt sie vor Gott und kommt dabei zu sich. Er nimmt sich Zeit, wieder eins zu werden mit sich. Sich darauf zu besinnen, worin sein Auftrag besteht in dieser Welt.

Es muss etwas schiefgelaufen sein irgendwann. Einerseits gibt es das immer stärkere Bedürfnis Vieler nach einer guten Balance zwischen Arbeit und Freizeit. Und andererseits gibt es Viele, die ihre Grenzen nicht achten. Ich erlebe das täglich bei der Begegnung mit Polizistinnen und Polizisten. Im Einsatz für andere nehmen sie häufig keine Rücksicht auf ihre eigene Gesundheit, sind immer für andere da. Von der Gesellschaft wird das oft wenig honoriert. In den eigenen Reihen dagegen einfach vorausgesetzt und für selbstverständlich erachtet. Das kann nur Teufelswerk sein. Wir brauchen das Recht, nein sagen zu dürfen, um in wichtigen Momenten auch ja sagen zu können. Die Welt braucht ganze Menschen. Menschen, die nicht zerrissen sind. Menschen, die mit sich eins sind. Deren Füße auf festem Grund stehen und deren Körper, Geist und Seele miteinander im Gespräch sind. 
In diesen Tagen hat der Herbst begonnen. Die Natur lässt uns sehen, wie es geht. Erntedank ist vorbei. Die Dunkelheit nimmt zu. Die Tage werden kürzer. Blätter fallen. Blüten verwelken. Nach Wachstum und Ernte zieht die Natur sich zurück, um sich auszuruhen. 
Konzentriert ihre Kraft in den Wurzeln, im Samen der Erde.
Bereitet sich vor auf die Zeit der Ruhe, der Zurückgezogenheit und Besinnung aufs Wesentliche. Und wir?
Verstehen wir uns als Teil der Natur? Kann sie auch für uns beginnen, die Besinnung auf das Wesentliche am Beginn der dunklen Jahreszeit? 
Die Zeit, in der wir naturgegeben das Tempo drosseln, und bedenken: 
Welche Ernte habe ich eingebracht in diesem Jahr?
Was kann, was muss ich lassen in der Besinnung auf das Wesentliche?

Rückzug, Ruhe, Besinnung, das ist die natürliche Bewegung im Herbst,
Auch für unseren Stadt gewöhnten Körper, unseren dauerwachen Geist. 
Ich möchte nicht darüber hinweghuschen. 
Und es als Wunsch formulieren für uns alle, dass wir in dieser Zeit das Tempo hin und wieder rausnehmen. In Kontakt mit dem sind, was wir tun und was wir lassen, mit dem, was für uns wesentlich ist. Dass wir bei uns selbst sein können.
Denn das ist die Voraussetzung, bei anderen sein zu können. Ich wünsche Ihnen allen Mut dazu!