10.03
2025
06:50
Uhr

Mülltonnen

Oder Herdentrieb und Nächstenliebe

Ein Beitrag von Ulrike Garve

Ich wohne in Lübbenau und Lübbenau ist eine Kleinstadt. Und wie das in Kleinstädten so üblich ist, ist man selbst verantwortlich für das Rausstellen der Mülltonne. Nur die Mülltonnen, die draußen am Straßenrand stehen, am vorgeschriebenen Platz, werden gelehrt. Und im Laufe des Tages muss ich sie wieder zurückbringen, sonst bleibt sie am Straßenrand stehen.

Trotz vieler Erinnerungen, wie Abfallkalender oder Kalender-App vergesse ich oft die Mülltonne. Dann habe ich Pech und muss mindestens zwei Wochen warten.

Was mir aber enorm hilft sind meine Nachbarn: irgendeiner fängt immer an und stellt die Tonne raus. Ein, zwei Stunden später stehen schon zwei oder drei Tonnen entlang der Straße und dann weiß ich: „Tonne rausstellen wäre jetzt klug, morgen kommt das Müllauto“. Es ist wie ein geheimes Zeichen in der Nachbarschaft.

Manchmal überlege ich, ob das mein innerer Herdentrieb ist – alle stellen die Mülltonnen raus – also mache ich das auch. Und dann werde ich selbstkritisch und frage mich: wenn der Herdentrieb schon bei so kleinen Dingen wie der Mülltonne funktioniert, wo laufe ich überall noch der Mehrheit nach und vertraue darauf, dass das richtig ist?  Würde mir das bei großen, wichtigen Entscheidungen auffallen? Herdentrieb hin oder her, bei meinen Mülltonnen vertraue ich auf meine Nachbarn und verlasse mich auf sie. 

Ich bin meinen Nachbarn und den Bewohnern der Straße enorm dankbar! „Danke liebe Nachbarn, wer auch immer von euch damit anfängt, die Tonne rauszustellen, ihr helft mir sehr und seid mein lebendiger Kalender!“- Das ist doch gelebte Nächstenliebe, oder? So wie es Jesus in der Bergpredigt sagt: „Alles nun, was ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, das tut ihnen auch“ (Mt. 7, 12). Man nennt das auch die Goldene Regel, denn sie ist einprägsam und klar. Alles, was man selbst nicht aushalten, nicht ertragen könnte, sollte man auch nicht von anderen verlangen. Eine Mülltonne zählt klar in die aushaltbaren Dinge! Ich finde das schön und es ist für mich gelebte Nachbarschaft im ganz kleinen. Und Sie, haben Sie schon Ihre Mülltonne gedacht?