„Guck mal, Mama!“, ruft meine Tochter und im ganzen Laden wird es mucksmäuschen still. Spannung liegt in der Luft. Ich bin mit meiner Tochter im Geschäft für Kinderbrillen und außer uns ist noch eine andere Familie da, Eltern und ihr Baby. Ungefähr sechs bis neun Monate alt, schätze ich. Selbst aus der Entfernung erkenne ich, dass das Baby nicht richtig sehen kann. Es blickt ins Leere und wirkt irgendwie teilnahmslos.
Die Mitarbeiterin flüstert uns zu: „Das Kleine hat seit der Geburt eine starke Sehschwäche. Es sieht alles nur ganz, ganz verschwommen. Und bekommt jetzt seine erste Brille. Das wird für das Kind ein himmelweiter Unterschied sein. Und wir dürfen leise zugucken … “
Und tatsächlich: Eine andere Mitarbeiterin setzt dem Baby die Brille auf - und es reißt die Augen riesig weit auf. Unglaublich staunend sieht es aus.
Unsere Beraterin erklärt uns: „Es kann den Unterschied sofort wahrnehmen, das Verschwommene wird klar. Das Kind erkennt zum ersten Mal seine Umwelt, und vor allem: seine Eltern!“ Und das ist für uns auch klar erkennbar: Die Eltern sehen in den Augen ihres Kindes, dass sie von ihm erkannt werden. Man sieht ihnen an, wie sie das berührt. Alle Augen leuchten.
Was für eine tiefe Erfahrung - nicht nur für Kinder: Ich kann andere ansehen und und ich bin selbst liebevoll angesehen. Ich erkenne mich im Anderen wieder. Erlebe und spüre: Wir gehören zusammen.
Völlig unabhängig davon, wie gut man selbst mit den Augen sehen kann oder als blinder Mensch die Welt mit allen anderen Sinnen wahrnimmt. Es ist ein Grundhunger von uns Menschen, wie Psycholog*innen sagen: den liebevollen Blick des Anderen spüren. Und darin erleben: Ich habe ein Ansehen, eine unantastbare Würde, einen bedingungslosen Wert.
Auch Gott schaut uns Menschen so freundlich an, mit leuchtenden Augen voller Liebe und Staunen. Das wird uns sonntags am Ende eines Gottesdienstes oft zugesprochen – mit diesem alten Segenswort:
„Der HERR segne dich und beschütze dich. Der HERR lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig. Der HERR wende dir sein Angesicht zu und gebe dir Frieden.“ (4.Mose 6,22-27)
Diesen freundlichen Blick wünsche ich Ihnen heute.